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Die Sprache hinterfragt: Warum sollte man das Passiv vermeiden?

Sprache hinterfragt

 klimkin_cactus-1063094_1920_pixabay_kleinerZu den häufigsten Tipps für besseres Schreiben gehört der Hinweis, das Passiv zu meiden und Texte mit aktiven Verben zu formulieren. Auf Schreibhandwerk finden Sie eine Zusammenfassung der Gründe und einige Beispiele. Nun könnte es sein, dass Sie als unabhängiger Mensch sich ungern auf solche Tipps einlassen. Im Sprachkurs Deutsch für den Beruf habe ich kürzlich das Passiv eingeführt. Beim Durchsehen der Hausaufgaben verstand ich schlagartig den Sinn und den Wert des Verbots des Passivs.

  • Sie schreibt einen Brief. – Ein Brief wird geschrieben.
  • Sie hat eine Briefmarke auf den Brief geklebt. – Eine Briefmarke ist auf den Brief geklebt worden.
  • Sie legte den Brief in das Postfach. – Der Brief wurde in das Postfach gelegt.

Solche Sätze, zwanzig mal mehr oder weniger ordentlich aufgeschrieben, haben eine fatale Wirkung auf die Konzentration und die Stimmung des Lesers. Die Schreibenden, alles Deutschlerner, stutzen und fragen, ob es sein kann, dass in einem Satz so oft Formen von werden auftauchen:

  • Nachdem die Briefmarke auf den Brief geklebt worden ist, ist der Brief in das Postfach gelegt worden.

Es kann sein und ist in diesem Fall sogar richtig. Aber es geht noch schlimmer. Das Lehrwerk wählte nicht ohne Grund das Thema Arbeitsschutz, um das Passiv einzuführen. Vorschriften sind in der Praxis oft im Passiv abgefasst. Für die Ohren der Lehrkräfte klingen die Sätze wie Behördensprache schlechthin, für die Teilnehmer entstehen unübersichtliche Satzgebilde:

  • Die Arbeitsschutzvorschriften müssen vom Arbeitgeber umgesetzt werden, wenn die Arbeitsschutzvorschriften von der Berufsgenossenschaft festgesetzt worden sind.
  • Dem Arbeitnehmer konnte von der Berufsgenossenschaft keine Rente wegen einer Berufskrankheit gezahlt werden, weil die Krankheit durch die Berufsgenossenschaft nicht als Berufskrankheit anerkannt wurde.

Freiwillig und in der Freizeit würde sich niemand von uns solchen Sätzen hingeben. Wir würden das Buch in die Ecke schleudern und ein Computerspiel spielen. Damit unsere Leser unsere Bücher in der Hand behalten, mit Genuss lesen und weiterempfehlen, sollten wir möglichst viele Sätze im Aktiv formulieren. Die Vorteile des Aktivs sind nicht zu verachten:

  • Der Leser erfährt, wer handelt. Die handelnde Person ist Sympathieträger und führt den Leser durch die Szenen.
  • Die Sätze sind kürzer und klarer strukturiert.
  • Sätze im Aktiv haben weniger Wiederholungen, die den Leser verwirren können.
  • Sätze im Aktiv wirken direkter und emotionaler, sprechen den Leser also direkt an.

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