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Die Sprache hinterfragt: Wie bitte ich um Hilfe?

Sprache hinterfragt

Irgendwann erreichen wir alle den Punkt, an dem wir nicht mehr laut schreiend die Arme heben und sicher sein können, dass uns jemand hilft. Dann wird es notwendig zu sprechen. Im Laufe der Jahre lernen wir, wie wir andere Menschen um Hilfe bitten können. Leicht fällt uns das nicht. Niemand zeigt gerne offen, dass er nicht mehr weiter weiß oder weiter kann. Was aber, wenn die Worte und Strukturen fehlen?

Wir erwarten von Hilfesuchenden bestimmte Strukturen und Formulierungen, damit wir verstehen können, dass sie um Hilfe bitten und uns außerdem veranlasst sehen zu helfen. Ein bisschen Höflichkeit erwarten wir auch noch. Fehlende Höflichkeit stößt schnell sauer auf und mindert die Bereitschaft, etwas für den Hilfesuchenden zu tun. So beschweren sich Mitarbeiter von Behörden oft über den unhöflichen Ton ihrer Besucher, besonders wenn es sich um Flüchtlinge handelt.

In Integrationskursen ist das Bitten um Hilfe ein wichtiges Thema, das immer wieder aufgegriffen wird. In der Anfangsphase gibt es nur einige Phrasen, die die bitte um Hilfe einleiten und beenden. Was zwischen der Einleitung der Bitte und ihrem Ende sprachlich geschieht, können die Lernenden noch nicht systematisch leisten. Eventuell verfügen sie über einige Brocken der Sprache, meist aus einer Übersetzungs-App, mit deren Hilfe sie ihr Anliegen vorbringen können. Ob sie die Antworten verstehen, ist fraglich. Ob sie dann noch die Energie oder Geistesgegenwart für die beendenden Phrasen haben, ist ebenso fraglich.

Am Anfang verfügt ein Lerner über die Phrasen Entschuldigung, Bitte und Danke. Alle drei sind höflich, tragen aber nichts dazu bei, ein Problem darzulegen und die Antwort zu verstehen. Mit den Phrasen Bitte langsam und Bitte wiederholen Sie das erhält der Frager minimalen Einfluss auf den Gesprächsverlauf. Keine der Phrasen kann er zu diesem Zeitpunkt analysieren. Problematisch ist, das Phrasen wie Wiederholen Sie das oder Sprechen Sie langsam Befehlsformen sind. Sprachlich sind sie korrekt und der Situation angemessen, leider reagieren gestresste Behördenmitarbeiter oft gereizt auf Imperative.

Etwa in der zweiten Lernwoche erhalten Lernende mit der Konjunktivform Ich möchte eine erste Möglichkeit einen Wunsch sprachlich zu kennzeichnen. Ich möchte ist mit einem Akkusativobjekt verbunden. Der Lernende kann also nur um Objekte bitten, was meistens nicht zielführend ist:

Ich möchte eine Bescheinigung.

Zwei oder drei Wochen später erlauben die Modalverben eine Ausweitung der Bitten um Hilfe. Die Modalverben können, dürfen und müssen, ergänzt durch möchte-, erscheinen zusammen mit Verben. Zusammen mit den früher eingeführten Wort- und Satzfragen wird Höflichkeit bei der Einleitung einer Bitte um Hilfe sichtbar gemacht. Effektiv helfen diese Strukturen nur bei der Organisation der Bitte und der Gesprächsführung. Inhaltlich stehen allenfalls mit der Übersetzungs-App generierte Brocken, meist in Form von Nomen zur Verfügung.

Bitte, können Sie mir sagen: Was muss ich hier machen?

Darf ich Sie fragen?

Können Sie bitte helfen?

Bitte, was muss ich mitbringen?

Wo muss ich unterschreiben?

Wenn Fragesteller die Modalverben beherrschen, ist es auch einfacher, ihnen einen Rat oder einen Hinweis zu geben.

Sie müssen da unterschreiben.

Sie müssen die Übersetzung der Zeugnisse mitbringen.

Sie können den Antrag hier stellen.

Höfliche Fragen sollte man nie unterschätzen. Als indirekte Fragen, erweitern sie nach vier bis fünf Monaten das sprachliche Instrumentarium noch weiter.

Entschuldigung, ich weiß nicht, wo das Büro ist.

Können Sie mir bitte sagen, wo ich das Dokument bekomme?

Sagen Sie bitte, was muss ich mitbringen?

Wann weiß ich, ob ich die Wohnung bekomme?

Auch der der Konjunktiv II mach Bitten höflich. Die Formen mit würde, hätte und wäre sollten ungefähr nach fünf Monaten zur Verfügung stehen.

Ich würde gerne eine Ausbildung machen.

Ich hätte gern eine Bescheinigung.

Bei der Erteilung von Ratschlägen bedienen wir uns oft des Konjunktivs, ohne uns dessen bewusst zu sein:

Ich würde Widerspruch einlegen.

Sie könnten einen Antrag stellen.

Ich an Ihrer Stelle würde den Vermieter anrufen.

Gerne verwenden wir das Modalverb sollen im Indikativ oder Konjunktiv. Es eignet sich gut, um nach Regeln und Anweisungen zu fragen oder eine Empfehlung auszusprechen.

Was soll ich machen?

Wo soll ich unterschreiben?

Sie sollten einen Antrag stellen.

Sie sollten eine darüber nachdenken.

Innerhalb von sechs Monaten erhalten Lernende die sprachlichen Mittel, um um Hilfe zu Bitten und die Hilfsangebote in Ansätzen zu verstehen. Darüber hinaus sind Kenntnis höflicher Phrasen, Begrüßungen und Abschiedsworte und die Bereitschaft, geduldig Lösungen auszuhandeln für einen erfolgreichen Gesprächsverlauf notwendig. Dass die nicht immer vorhanden sind und manchmal auch abhanden kommen, kennen wir von uns selbst.

 

 

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