Thriller

Leseprobe „Im Netz des Täuschers“

 

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Dienstag, 02. August, 21.37 Uhr

Vom Bahnsteig stieg die gespeicherte Tageshitze auf. Vier Tage war Robert aus Rosenheim fort gewesen, und nun betrat er den Boden seiner Heimatstadt mit dem Gefühl, als hätte er Jahre im Ausland verbracht.

Mit zwei Stunden Verspätung war die Maschine aus Lissabon in München gelandet. Am Flughafen hatte er vor Müdigkeit befürchtet, er schaffe es nicht mehr bis zum Zug. Während der Bahnfahrt hatte er sich aber einigermaßen ausruhen können.

Auf dem Weg durch die Unterführung hetzten die Ankömmlinge wie auf einer Ameisenstraße in Richtung Bahnhofshalle und den Ausgängen zur Stadt. Handys an den Ohren, Koffer im Schlepptau. In der Halle sahen ihnen an den Stehtischen der Snackbars lümmelnde gelangweilte Männer zu. Es war wie überall auf den Bahnhöfen der Welt. Doch hier und heute konnte jemand unter ihnen sein, der Robert bereits erwartete.

Hätte er auch so genau hingesehen, wäre ihm in Lissabon nicht von einem mysteriösen Typ etwas angeboten worden, von dem er besser niemals erfahren hätte? Was zum Teufel hatte ihn bloß zu dieser Reise getrieben? Der Job hatte nach einem lukrativen Geschäft gerochen. Er hatte sich darauf gefreut, in Portugal Kurzurlaub und Business zu verbinden.

Vor dem Bahnhof standen ein paar Taxis in einer Reihe. Robert überlegte, ob er sich fahren lassen sollte. Nach dem stundenlangen Sitzen entschied er, sich mit dem Trolley zu Fuß auf den Heimweg zu machen. Bis jetzt war ihm niemand gefolgt.

Mit vierundfünfzig war Robert fit wie zwei Turnschuhe. Seit seine Mutter vor zwei Jahren im Familiengrab ihre letzte Ruhe gefunden hatte, war sein Körperfett langsam aber sicher geschmolzen wie Butter in der Sonne. Er wog so wenig wie zuletzt mit vierzig. Doch Mamas üppige bayrische Küche und ihre Schmalznudeln vermisste er schmerzlich.

Geschickt lüpfte Robert den Trolley über die Bordsteinkante und zog weiter über die Bahnhofstraße in die Innenstadt.

Den Auftrag hatte Robert noch in Portugal platzen lassen. Geld hin oder her. So etwas machte er nicht. Und diese Geheimniskrämerei erst! Dafür war er nicht auf private Rechnung nach Lissabon gedüst, in eine der schönsten Hauptstädte Europas. Wer war der Typ, den er im Vasco da Gama Shopping-Center getroffen hatte? Ein Deutscher, das war sicher.

Samstag, 30. Juli, Lissabon, 09.13 Uhr Ortszeit

Von einem Tisch im oberen Stockwerk des Cafés überblickte Robert das Treiben im Einkaufszentrum. Die Leute schlenderten in die Boutiquen oder aßen Snacks an einem Imbissstand. Im Café waren fast alle Tische besetzt. Noch war Frühstückszeit. Robert und der Mann, der mit an seinem Tisch saß, waren zwei von vielen unauffälligen, wenn auch Deutsch sprechenden Besuchern.

„Wenn Sie tun, was wir verlangen, haben Sie für Ihr Leben ausgesorgt“, raunte der schwarzgekleidete Kerl. Beim Anblick dieses Man in Black hatte Robert beinahe gelacht. Noch dazu trug er eine dunkel getönte Brille. Der sah aus wie eine schlechte Kopie aus einem Agentenfilm.

„Hätten Sie mich nicht auch in Deutschland persönlich kontaktieren können?“, warf Robert ein. „Wissen Sie, ich besitze Mail-Adressen und kann sogar telefonieren. Wäre das nicht einfacher gewesen? Sie schrieben, dass Sie Safety-Kurse für Ihre Mitarbeiter veranstalten wollen. Warum Lissabon?“

Der Mann lehnte sich zurück. Er nahm seine Brille ab und putzte sorgfältig die Gläser. Helle, blauschimmernde Augen verliehen ihm sogar etwas Sympathisches. Dunkle, fettige, streng zurückgekämmte Haare endeten in einem angedeuteten Pferdeschwanz im Nacken und machten diesen freundlichen Eindruck zunichte.

„Das waren zwei Fragen auf einmal, Herr Robeus“, gab er sich gelassen. „Zu Frage eins: Nein, nicht in Deutschland, nichts online. Sie wissen doch selbst, wer oder was mithört und mitliest. Irgendwo, nur nicht dort, wo Ihre Arbeit stattfinden soll. Das hier hat also seinen Grund. Und zu Frage zwei: Lissabon ist nicht zufällig ausgewählt, genau richtig. Hier käme niemand auf die Idee, ausgerechnet einen zweitklassigen Ex-Polizisten zu observieren.“

Robert zog seine kräftigen Brauen über der Nasenwurzel zusammen. Er richtete seine dunkelbraunen Augen mit entschlossenem Blick auf sein Gegenüber und beugte sich über das Tischchen. Seine Tasse glitt dabei gefährlich nahe an den Rand.

„Was soll das? Wenn Sie denken, ich sei zweite Wahl, warum bestellen Sie mich dann hierher? Was wollen Sie von einem in Ihren Augen zweitrangingen Ex-Bullen wie mir? Im Übrigen ist Ihr Angebot für die Kurse nicht gerade die Summe, die mir ein sorgenfreies Leben ermöglichen könnte, wie Sie so großzügig erwähnten.“

Der Man in Black lächelte künstlich gequält.

„Überlegen Sie mal. Sie sind uns …“

„Wer ist uns?“, fing ihn Robert ab.

Unbeirrt ließ der Glattrasierte mit der leisen, sonoren Stimme eines Dokumentarsprechers Robert wissen, als Ex-Polizist und durch seine jetzige Firma sei er geschult, mit Waffen umzugehen. Und auch unauffällig genug für den Job.

„Waffen! Job?“ Gerade noch konnte Robert seine Tasse vor einem sehr wohl auffälligen Sturz bewahren, der das Interesse auf sie gezogen hätte. Ein neugieriges Pärchen, das in der Nähe einen Tisch suchte und sich hörbar auf Deutsch unterhielt, ließ Roberts Tischnachbarn für einen Moment nervös werden.

„Nicht so laut, bitte, Herr Robeus. Glauben Sie mir, die Sache ist äußerst wichtig für unser Land.“

Robert warf einen Blick hinauf zum gewölbten Glasdach der Shopping-Mall gegenüber dem Bahnhof Oriente. Wasser glitt gleichmäßig übers Dach, als wäre es ein Brunnen. Robert fiel das Wort Verschwendung ein. Genau wie seine Zeit, die er hier wohl vergeudete.

Das weitere Gespräch verlief in eine Richtung, die Robert mehr als missfiel.

„Auch wenn wir Sie nicht bezahlen würden“, musste sich Robert anschließend anhören, „müssten Sie annehmen. Glauben Sie mir, Sie können nicht ablehnen.“

Doch Robert lehnte ab. Abrupt beendete er das Gespräch. Zum Mörder würde er nicht werden. Um keinen Preis! Und warum sollte er sich nicht weigern können? Was wussten die über ihn?

Die Sache besaß einen zweiten Haken: Nun hatte er Wind bekommen von Plänen, von denen er niemals hätte erfahren dürfen.

Dienstagabend, 02. August. Rosenheim

Robert beschleunigte seine Schritte durch die Bahnhofstraße. Seit Samstag wähnte er sich in einer unbestimmten Gefahr. Er hatte das Gespräch in Lissabon abgebrochen, sich einen Mietwagen genommen und noch zwei Tage am Meer verbracht, um nachzudenken. Auch, um den Kerl in Schwarz abzuschütteln. Er konnte sich nicht sicher sein, dass ihm das gelungen war. Am Leuchtturm des Cabo Espichel am Atlantik hatte er den Verdacht gehabt, jemand sei ihm gefolgt. Dabei hatte ihm der betagte portugiesische Herr in Schwarz nur seinen auf dem Autodach vergessenen Mietwagenschlüssel nachgetragen.

Die Leute, für die der Mann in Lissabon agierte, operierten nicht im Licht der Öffentlichkeit. Der Typ im Café war nicht mit weiteren Einzelheiten herausgerückt. Arbeitete er für irgendeine geheime staatliche Organisation? Die Mission sei wichtig für unser Land, hatte er betont. Immerhin hatte Robert erfahren dürfen, dass er am siebten August, genau um elf Uhr, bei einer Rede des bayerischen Umweltministers auf dem Rosenheimer Max-Josefs-Platz mit einer noch zu erhaltenden Waffe anwesend sein sollte. Diese Forderung hatte Robert die Segel streichen lassen. Punkt! Warum hatten sie ihn ausgesucht, den ehemaligen Polizeibeamten? Ausgerechnet. In Portugal hatte er sich den Kopf zermartert, ob er sofort die Polizei in Rosenheim verständigen sollte. Irgendwie musste er die Tat doch verhindern. Aber was riskierte er dabei? Was hatten diese Leute gegen ihn in der Hand? Hatte er Steuern hinterzogen, jemandem geschadet, ohne es zu wissen? Solange er keine Ahnung von deren Möglichkeiten besaß, konnte er nichts unternehmen, ohne sich selbst zu gefährden. Allein sein Wissen um eine geplante Straftat machte ihn zur Zielscheibe. Zudem wusste er, wie der Hintermann aussah und wo er zu finden war.

Er bog nach rechts in die verkehrsberuhigte Münchener Straße ein und erreichte bald den Max-Josefs-Platz. Fußgängerzone. Die Turmglocken der Nikolauskirche schlugen zehn. Ab jetzt ruhten sie für die Nacht. Bis zu seiner Wohnung lief er sicher noch mindestens zwanzig Minuten. Er entschloss sich nun doch, in ein Taxi zu steigen. Aber wo fand er hier eins? Er erinnerte sich, dass vor dem Haus an der Stollstraße immer Taxis standen. Sein Trolley ratterte laut übers Kopfsteinpflaster. Robert fürchtete, die Kofferrollen würden das Holpern nicht mehr lange durchhalten. Für einen Moment stoppte er. Im Gegensatz zum lärmenden, pulsierenden Leben auf Rosenheims großem Marktplatz war es hier unheimlich still. Unheimlich und still.

Robert horchte. Aus einem Brunnen mit Bronzevogel plätscherte Wasser in einen Trog. Jetzt begriff er, wohin es ihn verschlagen hatte: neben die Ölberg-Kapelle an der Kirche! Dieser Platz abseits des Treibens lag da wie ausgestorben. In Gedanken war er statt zum Taxistand in die entgegengesetzte Richtung gelaufen.

Klappern, Schritte, Wortfetzen durchbrachen die Stille. Ein Licht flammte auf. Über die Seitenwand der Kapelle wanderten lange Schatten.

Robert duckte sich hinter den Brunnen und beobachtete, wie eine Gruppe junger Leute lautstark auf den gepflasterten Platz neben der Kapelle einzog. Die Frauen trugen überwiegend kurze Kleider, die Männer Shorts oder leichte Hosen und gut geschnittene T-Shirts mit einem Aufdruck, den Robert nicht entziffern konnte. Sie plapperten durcheinander. Italienisch? Eher Latein. Robert strengte sich an, wenigstens ein Wort zu verstehen.

„Morituri.“ Echt jetzt? Worte, die etwas mit Tod zu tun hatten? Oder er hatte sich verhört, die hatten Durst und lechzten nach Bier.

Im Schein der Straßenleuchte konnte er ein paar der Gesichter sehen. Junge, gesunde, unverbrauchte Gesichter. Abiturienten, die mit Verspätung ihr Reifezeugnis feierten?

Der Kreis bewegte sich nicht mehr. Ein junger Mann trat in die Mitte, legte seine Hände im Rücken übereinander und schaute in die Runde.

Eines der Mädchen verkündete feierlich: „Unsere Freunde sind unterwegs.“

Zufrieden nickte der Anführer.

„Wir machen weiter. Die Zeiten des Experimentierens sind vorbei.“

(…)

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