Leseprobe – Mehr als Knochen

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1990 — Frühsommer

Das Loch im Waldboden verströmt den Geruch nach abgestorbenen Pilzen und verrottendem Holz. Butterweich lässt sich der Spaten einstechen. Nur ein paar dünne Fadenwurzeln reißen dabei durch. Schaben und kleine Käfer krabbeln aufgeregt umher. Die beiden Männer wechseln sich mit dem Graben ab. Das Loch muss breiter, länger und tiefer werden, damit alles darin Platz hat, versenkt für immer. Oder wenigstens für die nächsten Jahrzehnte, von denen niemand wissen kann, was sie bringen werden. Vor einem halben Jahr fiel die Mauer. Es wird sich einiges ändern im Land. Es mag Leute geben, die ihren alltäglichen Hausmüll in den Wald werfen, offen liegen lassen und denken, dass sie nicht entdeckt werden. Geht meistens schief. Es ist zwar riskant, so lange zu graben, ohne aufzufallen. Doch nichts darf oben bleiben. Ist ja kein Hausmüll. Die Stelle hier etwas abseits der hohen Fichten wird von dichtem Gestrüpp und schwächelndem Nadelholz gesäumt. Wie entsorgte Weihnachtsbäume vom Vorjahr sehen die dürren Kümmerer aus. Der Ort ist bestens getarnt. Die Männer bauen darauf, dass das so bleibt.

Heute. Mittwoch, 13. April, vor der Reise.

Das ist ja kompliziert!“ Michael Warthens fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Könnten wir nicht ganz normal fliegen?“ Conny Linden blieb eisern: „Nix da. Wir haben’s ausgemacht, also ziehen wir’s durch.“ Mit seiner Jugendliebe Conny hatte Michael zu Beginn seiner Karriere als Privatdetektiv aufs Neue zusammengefunden. Seitdem verband sie die, wie Michael es immer empfunden hatte, tollste Freundschaft der Welt. Mit der Zeit hatte er sich mit dem Gedanken angefreundet, die weiteren Jahre seines Lebens mit Conny zu verbringen. Die Gelegenheit, es ihr zu sagen, hatte er mangels passender Momente dennoch immer wieder verschoben. Bis Conny nach seinem letzten Fall ihn sanft, aber bestimmt darauf aufmerksam gemacht hatte, dass zwischen ihnen mehr war als freundschaftliche Zuneigung. Damit war sie ihm zuvorgekommen. Jetzt stand ihr erster gemeinsamer Urlaub an, eine Bahnreise nach Portugal. „Da sind wir ja tagelang unterwegs!“, schimpfte Michael. Ein wenig hoffte er, Conny würde es sich doch anders überlegen. „Mike, du selbst hast gefragt, wie wir den Urlaub ökologisch gestalten könnten.“ Conny legte ihm die Hand auf die Schulter und starrte mit großen Augen auf die Fahrpläne am Monitor seines Büro-Rechners. „Klar, ich seh’ schon, das geht über Karlsruhe, Bern und Lyon, und erst ab da im Schlaf- oder Liegewagen bis Lissabon. Dort müssen wir dann schauen, wie wir zum Hotel kommen.“ „Ferienhaus, Conny, kein Hotel.“ „Schon gut, es dauert demnach knapp drei Tage, bis wir am Atlantik sind. Da sag’ ich nur: Der Weg ist das Ziel.“ Michael gab sich geschlagen: „Auch wieder wahr. Sind aber viele Ziele“, merkte er mit Blick auf die Umsteige-Tabelle an. Insgesamt elfmal war ein Zugwechsel vorgesehen. Mindestens. Egal, irgendwie mussten sie nach Portugal kommen. Das Ferienhaus in Zambujeira do Mar hatten sie am Tag zuvor verbindlich gebucht.

1989 — November

Der Mann sieht fern. Westfernsehen ist mit einem Mal gefahrlos zu schauen. Oder träumt er das nur? Er kann rüber. Einfach so. Niemand würde ihn aufhalten. Wer weiß schon, was passiert, bis er hier alles geregelt bekommt. Bleibt die Zeit dafür? Was, wenn doch wieder dicht gemacht wird? Nein, lange darf er nicht mehr warten. Der Staat kümmerte sich bis jetzt um jeden Scheiß. Von heute auf morgen wird sich da nichts ändern. Also wird auch er sich keinerlei Vorwürfe einhandeln und muss sich keine Sorgen machen. Die Stimmung im Land ist euphorisch, der Zeitpunkt ideal. Ja, vielleicht würde er sein bisheriges Leben vermissen. Aber das geht vorbei. Einen klaren Schnitt muss er wagen, alles zurücklassen. Sein Nacken schmerzt noch immer nach der OP. Man wird ihm dort helfen, wo er hingeht. Er weiß genau, in welche Richtung.

Jetzt. Mittwoch, 13. April.

Die Bahn-Tickets und Reservierungen für Conny und Michael waren in dieser Sekunde per Kreditkarte bezahlt. Der Drucker spuckte soeben das letzte Blatt aus. Die mehr als drei Seiten Infos über den Reiseverlauf brachten Michael dazu, zum Telefon zu greifen. „Ich ruf’ lieber gleich Tante Berti an“, ließ er Conny wissen. Er wählte die Nummer seiner letzten leiblichen Verwandten. „Ich sollte ihr Bescheid sagen, wann genau wir fahren … ach, grüß dich, Tanterl.“ Er wusste natürlich, dass die ehemalige Sennerin in ihrer Wohnung, einem Apartment mit betreutem Wohnen, auf seinen Anruf gewartet hatte. Tanterl hörte sie nicht gern, aber Michael konnte es nicht lassen, die 84-jährige Berti zu tratzen. „Ja, am Freitag, am 22. April geht’s los.“ „Und ihr bleibt’s wirklich drei Wocha?“ „Ja, das ist nach den Osterferien, und wie ich ghört hab, soll’s da am schönsten sein in Portugal.“ „Und? Wie kommt’s da hin? Net fliegn, oder? Oder gar mit ’m Schiff? Weil, Luft und Wasser haben keine Balken, dös woaßt fei scho!“ Michael grinste Conny an und legte die Hand übers Smartphone. „Sie hat Angst, dass wir fliegen.“ Als wüsste Berti nicht, dass er erst zwei Jahre zuvor das Drachenfliegen aufgegeben hatte. „Mensch Mike, dann sag’s ihr schon.“ Conny schüttelte den Kopf über Michaels Art, seine Tante zu necken. Aber Michael wusste, dass Berti genau das von ihm erwartete. Dann konnte sie ihm wenigstens Contra geben. „Koa Angst, wir nutzen die Elektromobilität.“ „Seit wann hast du so ein Elektroauto? Da soll man ja ned weit kommen.“ „Ach geh, nein, wir fahren mit der Bahn,“ klärte Michael seine Tante auf. „Die ist elektrisch, gell. Wie findst denn das?“ „Auch ned besser — aber fahrt ’s nur zu, von mir aus. Die drei Wochen werd i auch ohne euch überlebn. Für was zahl’ i denn einen Haufen Geld fürs Betreute da herin.“ Michael durchschaute seine Tante. Sie tat halt ein wenig beleidigt, aber er wusste doch, wie sehr sie sich über die späte Liebe ihres nicht mehr ganz jungen Neffen freute. Den Urlaub gönnte sie ihm und Conny zweifellos von Herzen.

1990 — Januar

Das mit der Euphorie nach der Maueröffnung bewahrheitet sich. Zumindest für ihn hat es die Merkmale eines unaufhörlichen Hochgefühls. Wenn da nicht das Gewissen wäre, das sich von Zeit zu Zeit meldet. Aber Verdrängen hat er gelernt, all die Jahre drüben. Nichts zulassen, was vom Weg abweicht, stramm geradeaus, dem Ziel entgegen. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Ha, ha. So, wie er diesen Spruch umsetzt, hat der Vorsitzende des Staatsrats das sicher nicht gemeint. Alles liegt hinter ihm. Alles und alle. Sogar … und da ist es wieder, dieses Nagen und Zerren von ganz innen. Nicht nachdenken! Vorwärts. Aufwärts. Er hat es gut erwischt, genau, wie er es sich wenige Wochen zuvor vorstellte. Wegen seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten haben sie seiner Bitte entsprochen, bei eventuellen Nachfragen, ihn vorerst nicht zu verraten. Die ersten Monate arbeitet er „schwarz“. Bis ihm einfällt, wie er vielleicht wieder alles geradebiegen kann, braucht er Abstand. So unendlich viel Abstand.

Samstag, 23. April, im Zug ab Lyon-Part-Dieu (Teil 1)

Im Halbschlaf puzzelte sich die Wirklichkeit wieder zusammen. Michael wartete absichtlich lange, bis er seine Augen zu öffnen wagte. Erstmal alles auf die Reihe bekommen, Gedanken ordnen. Er, der Privatdetektiv und die Lebensberaterin, beide über sechzig, lebten seit kurzem zusammen. Michael war zu Conny ins Haus gezogen. Für eine allein sei es zu groß, hatte Conny zugegeben. Vor acht Jahren war ihr Sohn zum Lehramt-Studium nach München gependelt, später an die Uni Tübingen gewechselt. Dann hatte es sich ihr Sohnemann wieder anders überlegt und sich für vier Semester Meeresbiologie an der Uni in Rostock eingeschrieben. Seit seinem Abschluss mit „Master of Science“ tingelte er als Spezialist für Marine Biotechnologie in der Weltgeschichte herum. Connys Haus war sturmfrei. Mit der anstehenden Reise zogen Michael und Conny so etwas wie Flitterwochen vor, obwohl beide keine Eile zum Heiraten an den Tag legten. Endgültig ausschließen wollte zumindest Conny eine Ehe mit Michael nicht. Seit ihrer Entscheidung, den Rest ihres Lebens mit Michael zu verbringen, hatte sie das ihm gegenüber durchblicken lassen. Michael hatte sich bis jetzt nicht dazu geäußert. Gut möglich, sagte er sich, dass sie die Reise benötigten, um Klarheit in dieser Frage zu bekommen. Mit Conny zusammen zu sein, mit ihr den Alltag zu teilen, ja, das gefiel ihm. Doch mussten sie in ihrem Alter gleich heiraten? Erst einmal in Urlaub fahren — und das im wahrsten Sinne des Wortes. Mit der Bahn nach Portugal. Während der Zug gefühlt eine Ewigkeit stand, hatten sie wie im Prospekt beschrieben die Sitz- in Liegeplätze umgewandelt. Die Enge in der Nische behagte ihm überhaupt nicht. Doch ein luxuriöseres Abteil mit Waschgelegenheit und WC hätte die Fahrt noch teurer werden lassen, als sie sowieso schon war. Am späten Abend waren sie von Rosenheim losgefahren. Über Nacht und morgens waren sie inzwischen fünfmal umgestiegen, zuletzt in Bern und dann von Genf zu diesem Zug in Lyon, einem französischen TGV. Er war hundemüde gewesen. Nun, am Nachmittag, hätte ihm ein Schläfchen wahrlich gutgetan. Michael hatte hartnäckig versucht einzuschlafen, was ihm nach ein paar Minuten fast gelungen war. Von wegen. Michael spürte plötzlich eine Hand an seinem Oberarm. Er öffnete ein Auge. Nicht nur der Zug ruckelte beim Anfahren aus dem Bahnhof von Lyon. Conny langte ordentlich zu, um ihn wachzubekommen. „Was ist denn?“ Conny schaute ihn aufgeregt an. Gut, wenn sie nicht schlafen wollte, konnte sie sich doch wenigstens auf ihrem Schlafplatz gegenüber ausruhen. „Mike, ich wollte eigentlich gerade zur Toilette, aber die ließ sich nicht öffnen.“ „Ja“, hörte Michael sich sagen, „weil wir in einem Bahnhof stehen.“ In welchem, das hatte er eben erst aus den Untiefen seines Bewusstseins gekramt. Wie lange hatte er denn geschlafen? Fünf Minuten? Fünf Stunden? „Wir fahren schon wieder. Ich dachte zunächst dasselbe. Dass es wegen der Standzeit ist. Dann hörte ich eine Stimme aus der Toilette. Jemand telefonierte, ein Mann, der versuchte, nicht allzu laut zu sprechen, aber ich hab’ supergute Ohren, wie du weißt. Du glaubst nicht, was ich dabei gehört habe!“

Vier Tage zuvor, Rosenheim, Dienstag, 19. April

„Wo, sagten Sie, wurden die Teile gefunden?“ Kriminalkommissar Kreutz ärgerte sich über die nuschelnde Aussprache des Beamten am Telefon. „Und welche Käfer?“ „Nicht Käfer, Kefer. Im Keferwald draußen, Sie wissen schon …“ Nein, wusste er nicht. Oder doch: dieser Wald westlich von Rosenheim, der seit kurzem von der sogenannten Westtangente, einer Umgehungsstraße für die Stadt, durchschnitten wurde. „Und wo genau?“ „Ungefähr zwischen dem Ortsteil Fürstätt und den Fußball- und Tennisplätzen an der Bahnstrecke dort. Ein Junge …“ Kreutz ließ ihn nicht ausreden: „Nicht ungefähr! Wo genau?“ „Das ist schwierig zu sagen, mitten im Wald halt, eine Art Sumpf …“ Kreutz schnaubte durch die Nase. Das Netz entpuppte sich als äußerst instabil. Der Beamte, Polizeiobermeister Jason Morris, stand offenkundig buchstäblich im Wald. In seinem Büro, das sich der Kommissar sonst mit vier anderen Beamten teilte, arbeitete im Moment lediglich Polizeihauptmeisterin Nadine Sedlmeier am Computer. „Nadine“, begann Kreutz mit der Befehlskette für einen Leichenfund, „verständigen Sie Doktor Baumgartner und die Leute von der Tatortsicherung. Ich weiß zwar nicht, ob es einen Tatort gibt, aber Leichenteile vielleicht.“ PHM Sedlmeier griff zum Telefon. „Das können Sie unterwegs machen“, stoppte sie der Kommissar. „Wir fahren in den Wald.“ Er erntete einen fragenden Blick. „Ja“, bekräftigte Kreutz, „wir zwei suchen jetzt den Platz, wo POM Morris glaubt, Leichenteile gefunden zu haben, oder besser, wo ihn jemand hingeführt hat, wie ich mir vorstellen kann. Faselte was von einem Sumpf, oder so.“ Er sah auf die Uhr. „Was tut der im Wald? Der müsste eigentlich vor einer Stunde seinen Dienst angetreten haben.“ Über die Freisprechanlage im Polizei-SUV erledigte Nadine Sedlmeier die nötigen Anrufe. Kreutz räumte ein, diesen Wald kaum zu kennen, und fragte Nadine, ob sie sich vorstellen könne, wo POM Morris dort steckte. „Keine Ahnung“, gestand Nadine. Sie stoppte an der nächsten Ampel der Küpferlingstraße, die an den westlichen Stadtrand führte. „Wenn Obermeister Morris sagte, zwischen Fürstätt und den Sportplätzen, dann ist das ein ganz schön großes Gebiet. Wissen Sie, als Kind war ich oft mit Freunden da draußen. Von meiner Oma weiß ich, wie sich der Wald verändert hat.“ „Dieser Keferwald, wieso heißt der eigentlich so?“, gab sich Kreutz interessiert. „Hab ich mich bis jetzt nie gefragt.“ Am Blick von PHM Sedlmeier bemerkte er ein gewisses Erstaunen über seine Frage. Dennoch gab die gebürtige Rosenheimerin, deren Vorfahren seit Generationen hier lebten, bereitwillig Auskunft. Zumindest, was sie von dem Wald im Westen Rosenheim sagen konnte. Möglicherweise erleichterte das Wissen über das Gebiet die Suche nach ihrem Kollegen. „Die Rosenheimer nennen den Wald Keferwald nach einer Ausflugsgaststätte, die am Waldrand im Stadtteil Egarten betrieben wurde: Der Kefer eben“, erklärte Nadine. „Die Wirtschaft ist inzwischen abgerissen worden, und Wohnhäuser stehen jetzt dort, wo es früher einen schattigen Biergarten mit Kastanien gab. Schauen Sie mal auf den Stadtplan. Die Straße am Waldrand dort hat man tatsächlich in Beim Kefer umbenannt. Eine Zeit lang war früher hinter dem Wirtsgebäude die Squash-Halle.“ Kreutz kam ins Grübeln. „Ja, das Squash-Center, das kenne ich. Als Jugendlicher, habe ich dort mal gespielt.“ „Gibt’s ebenfalls nicht mehr. Aber der Wald, der dahinter beginnt, das war und ist der Keferwald. Meine Oma hat mir gesagt, das Geheimnis dieses Waldes läge darin, dass er gar kein richtiger Wald sei, also kein natürlich gewachsener. Vor vielen Jahren seien Fichten dort angepflanzt worden. Sie sagte da so einen Spruch von Bauern: Willst du deinen Wald vernichten, pflanze Fichten, nichts als Fichten. Ganz früher gab es dort keinen Wald, sondern ein Moor. Das Gebiet wurde durch zahlreiche Gräben entwässert und war einer Holzplantage gewichen. Dann kam irgendwann so ein Borkenkäfer-Befall. Die Leute lästerten, man wisse jetzt, warum der Wald ja schon immer Käferwald hieße—mit ä.“ Kreutz sah Nadine von der Seite an und meinte strohtrocken: „Dacht’ ich mir doch, dass der Name mit Käfern zu tun haben muss.“ Nadine fiel darauf herein und schüttelte den Kopf. „Eben nicht, wie gesagt. Aber was dann folgte, weiß ich nicht von meiner Oma, sondern von meinem Vater, der damals im Forstamt als Forstwirtschaftsmeister angestellt war.“ Nicht ohne Stolz über ihr Wissen erklärte sie ihrem Chef: „Wegen der Käferplage mussten hunderte Bäume gefällt werden. Weite Lücken sind dadurch entstanden, Lichtungen, die man wieder aufzuforsten versuchte, aber Torfmoos und Wollgras haben sich die Lichtungen zurückerobert. Als einzige Bäume wuchsen junge Moorbirken auf dem kargen, sauren Boden. Stellenweise siedelte sich sogar der fleischfressende Sonnentau an. Einzelne, manchmal fußballfeldgroße Flächen mit schwammartigem Untergrund haben sich erstaunlich schnell wieder rückentwickelt. Der eine oder andere moorartige Bereich war nur kurz in Erscheinung getreten und nach mehreren schneearmen Wintern und heißen Sommern wieder ausgetrocknet. Andere blieben bis heute.“ „Und wie hilft uns das jetzt weiter?“, raunzte Kreutz nach Nadines Bericht. „Na ja, Sie sagten doch, Morris stehe in einem Sumpf, oder so ähnlich.“ Die Bahnunterführung am Ende der Küpferlingstraße hatten sie hinter sich gelassen und waren dann rechts abgebogen. Nadine hielt an und ließ den Motor laufen. „Das ist die Pürstlingstraße“, unterrichtete sie ihren Chef. Die Straße führte parallel zur Münchener Bahnstrecke zu den Sportplätzen des Sportbunds/DJK und des Tennisclubs TC 1860 Rosenheim. Eine Lärmschutzwand dämmte den Krach eines vorbeidonnernden Güterzugs einigermaßen ein. „Ich ruf nochmal Morris an“, entschied Nadine. Sie wählte und nickte nach ein paar Sekunden zufrieden.

„Hi, Kollege, wie ist die Verbindung?“ „Super, aber es rauscht.“ „Das ist ein Zug.“ Sie wartete, bis sie nur das Säuseln ihres Dienstwagens hörte. „Was ist los? Vor allem, wo bist du?“ „Ich war schon auf dem Weg zum Dienst, da hat mich der Herr Rietschel, wir kennen uns vom Sehen aus der Nachbarschaft, also der hat mich angehalten und hierhergeführt. Da sind, wie ich vermute, menschliche Knochen. Eine Hand, sicher nicht von einem Tier. Habt ihr den Doc schon informiert?“ „Ja, klar. Aber du musst uns sagen, wo genau du bist.“ POM Morris blieb für einen Moment stumm. „Hallo?“ Nadine stutzte. Das war nicht ihr Kollege. „Hallo, wer sind Sie?“ Eine ruhige, sonore Stimme stellte ihren Besitzer vor: „Mein Name ist Christian Rietschel. Ich bin der Vater von Daniel, der das hier gefunden hat. Sie fahren jetzt südlich von den Tennisplätzen an den Waldrand, dahin, wo es links nach Alt-Fürstätt geht, und rechts nimmer weiter …“ „Wie bitte?“ „Ja, Mensch, hat die Polizei keine Navis? Schauen S’ halt auf eine Karte oder aufs Handy. Dann, wenn es rechts nimmer weiter geht mit ’m Auto, dann gehen Sie oberhalb von den Tennisplätzen den Weg links hinauf. Das ist so eine Art Hohlweg. Oben kommen Sie an ein ziemlich verwildertes Waldstück. Da ist rechts vom schmalen Weg zwar ein alter Zaun, aber dahinter wächst alle mögliche, nur kein Wald. Und da stehen wir. Schreien S’ halt, wenn S’ da sind.“ Da Nadine auf laut gestellt hatte, bekam Kreutz die Beschreibung mit. „Jetzt kenn ich mich gar nicht mehr aus.“ „Aber ich!“ Nadine legte den ersten Gang ein.

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