Jedes Jahr am 21. März feiern wir den UNESCO-Welttag der Poesie. Deutschland scheint im Jahr 2015 den Sinn des Tages, nämlich die Erinnerung an die Bedeutung von Poesie, besonders ernst zu nehmen. Immerhin hat der Lyriker Jan Wagner den Belletristikpreis der Leipziger Buchmesse erhalten.
Der Jubel in den Medien war verdächtig laut. Verdächtig, angesichts der Tatsache, dass nur wenige Verlage und Agenten Interesse an Lyrik zeigen. Lyrik hängt der Ruf an, sie sei dem Leser unzugänglich, eben viel zu abstrakt, um für ein Massenpublikum interessant zu sein. Die lobenden Reaktionen der Qualitätspresse, hier beispielsweise der Zeit, zeugen zugleich von Verwirrung über die Wahl der Jury. Es wirkt so, als ob Lyrik in steifer Formalität daherkommen müsse und zwangsläufig mit moralischer Keule Lehren einbläuen wolle. Umso erleichterter kann man vermelden, dass Wagners Lyrik dies nicht tut.
Lyrik und Poesie sind also nicht für den so gerne zitierten modernen Leser. Für mich ist es überraschend, dass sich irgendein Leser mit diesem modernen Leser identifizieren können soll. Wenn der moderne Leser so informiert, gebildet und aufgeschlossen ist, warum sollte er sich nicht hin und wieder Lyrik lesen? Lyrikportale im Internet gibt es zahlreiche, auch Netzwerke von Menschen, die selbst Gedichte schreiben.
Warum sind es die Dichter, die besonders gerne von Unrechtsregimen mundtot werden? Haben Dichter etwas zu sagen? Tun sie es vielleicht in einer Form, die etwas im Menschen anspricht? Etwas, dessen Menschen sich besser nicht bewusst sein sollten, wenn sie in ein System eingepasst leben?
Am 21. März können Sie beispielsweise bei gedichteportal.de herausfinden, ob Gedichte wirklich so unzugänglich sind.