Vielleicht sollte der Titel dieses Posts besser heißen „Gibt es überhaupt einen besten Augenblick, Autorin zu werden?“. Anders als bei der Anschaffung eines Autos, einer Waschmaschine oder eines Hauses oder bei der Gründung eines Friseursalons, einer Versicherungsagentur oder einer Kinderkrippe können angehende Autoren und Autorinnen nicht auf Marktzahlen zurückgreifen.
Wenn es nur um die Fragen ginge, wer die Leser sind, welche Bedürfnisse diese Leser haben und wer die Lesebedürfnisse bedient, dann wäre nie der richtige Zeitpunkt.
Wir sehen gerne zurück in die gute alte Zeit, etwa ins neunzehnte Jahrhundert, als der Roman und seine Autoren gesellschaftsfähig wurden. 1837 schrieb die junge Charlotte Brontë an den Dichter Robert Southey und bat um seine Meinung über einige ihrer Gedichte. Er antwortete
Many volumes of poems are now published every year without attracting public attention, any one of which, if it had appeared half a century ago, would have obtained a high reputation for its author. Whoever, therefore, is ambitious of distinction in this way ought to be prepared for disappointment.
(Viele Gedichtbände werden jetzt jedes Jahr veröffentlicht, ohne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu wecken. Jeder von ihnen hätte, wäre er vor einem halben Jahrhundert erschienen, seinem Autor ein hohes Ansehen verschafft. Deswegen sollte jeder, der es anstrebt, auf diese Weise Ruhm zu erlangen, mit einer Enttäuschung rechnen.)
Southey fügte gewiss wohlmeinend hinzu, dass Literatur nichts für Frauen sei. Glücklicherweise hielt sich Charlotte Brontë nicht an Southeys Rat, doch niemand kann bezweifeln, dass seine Worte sie als Autorin und Frau tief verletzten.
Nach dem Boom im Self-Publishing 2011 und 2012 liest man auch jetzt wieder vermehrt, es gebe zu viele Autoren, zu viele Bücher, zu viele E-Books. Die Konkurrenz ist wieder zu groß, wieder haben Leser eine zu große Auswahl, wieder kann ein Autor, erst recht keine Autorin unter diesen Bedingen Erfolg haben.
Das alles klingt abschreckend. Tatsächlich ist mit dem Schreiben viel verbunden, was nicht unter „Vernunft“ gefasst werden kann. Doch sollte das niemanden abschrecken.
Als ich vor einigen Jahren zweifelte, ob es überhaupt Sinn machte zu schreiben, stieß ich zufällig auf die erste Biografie von Charlotte Brontë, geschrieben von ihrer Freundin, der Autorin Elizabeth Gaskell. Der Brief von Robert Southey rüttelte mich auf. Southey hätte auch jetzt schreiben können, auch 2050 oder 2100. Denn Zitate wie jenes von Southey zeigen, dass es auch zu vermeintlichen Hochzeiten ein Gefühl der Marktübersättigung gab. Sie zeigen auch, dass wir Schreibende (besonders schreibende Frauen) nicht auf den Markt ausgerichtet schreiben können und sollen. Wir müssen erst als Unternehmerinnen handeln, wenn wir unsere Bücher verkaufen wollen. Zuvor müssen wir den Mut aufbringen, das Buch zu schreiben, fertigzustellen und zu veröffentlichen.
Wie „vernünftig“ sind Sie, wenn Sie schreiben? Oder gab es für Sie den perfekten Augenblick, als Sie Ihr erstes Buch veröffentlicht haben? Schreiben Sie in den Kommentaren über Ihre Erfahrungen.