Welche tieferen Einsichten ziehen wir aus der Erfahrung der Pandemie und ihrer Auswirkungen auf unser Leben? Diese Frage müssen Autor*innen auf zwei Ebenen beantworten. Einerseits geht es um das alltägliche Leben und seine Gestaltung, andererseits um die Inhalte der Bücher.
Einsichten für das alltägliche Leben
Wir haben erstaunlich viel Bereitschaft gezeigt, Schwächere zu schützen und deshalb Einschränkungen auf uns genommen. Derzeit rollt eine Gegenwelle, in der Gruppen von Menschen gedankenlos (oder mit Bedacht) Ansteckungsrisiken in Kauf nehmen. Das geschieht im Namen der Freiheit. Für uns als Privatperson heißt das, dass wir uns überlegen müssen, wie wir Freiheit verstehen und welche Konsequenzen unser Handeln für uns und andere hat. Diese Überlegungen betreffen natürlich nicht nur die Pandemie, sondern auch andere Bereiche, etwas unseren Energieverbrauch, unsere Reisen und unseren Konsum.
Einsichten für unsere Bücher
Schreiben gegen die Einsamkeit und die Angst ist ein bekanntes Mittel. Schulen setzten es in den letzten Monaten ein und ermunterten ihre Schüler*innen, Gedanken und Ängste über die Pandemie aufzuschreiben. Das Schreiben von Briefen wurde ebenfalls empfohlen, zum Aufrechterhalten des Kontakts und zur Reflexion. Das Literaturcafé riet vom Verfassen von Corona-Lyrik ab, auch andere Stimmen wollten keine Corona-Literatur. Dennoch existieren jetzt schon Romane zum Thema. Die während des Lockdowns veröffentlichten Romane behandeln den Beginn der Pandemie und die Veränderungen des Alltags. In diesen Romanen verarbeiten Autor*innen ihre Beobachtungen in der neuen Situation.
Doch die Aufgaben für Autor*innen, gleichgültig wie sie zum Umgang mit der Pandemie stehen, gehen noch weiter. Es existieren Manuskripte, die begonnen wurden, bevor jemand von Corona oder Covid-19 gehört hatte. Müssen diese Manuskripte abgeändert werden? Fällt die Entscheidung für eine Berücksichtigung der Pandemie, stellt sich weiter die Frage, wie und in welchem Umfang sie thematisiert werden sollte und werden kann.
Ähnliche Fragen stellen sich für Manuskripte, die noch begonnen werden sollen. Welchen Raum dürfen die Veränderungen und Überlegungen in den neuen Geschichten einnehmen? Besteht das Risiko, blind um die Zeit des Lockdowns zu kreisen? Oder besteht die Gefahr, die Zeit davor zu idealisieren?
Mit diesen Fragen müssen wir uns auseinandersetzen, wenn wir den Anspruch haben, Bücher zu schreiben, die für das Leben der Leser*innen Relevant sind.