Wieken-Verlag Autorenservice Abgesang. Morde zwischen Geest und Meer

Abgesang. Morde zwischen Geest und Meer

Titel: Abgesang. Morde zwischen Geest und Meer
Reihe: Christa Hemmen norddeutsche Krimis #5
Verlag: Wieken-Verlag
erschienen: Dezember 2017
Autor: Martina Sevecke-Pohlen
Genre: , ,
ISBN13: ISBN E-Book Kindle 978-3-943621-65-5 ISBN E-Book EPUB 978-3-943621-64-8

Die frühere Rocksängerin Ida Santer lebt seit einigen Jahren zurückgezogen in Rhauderfehn. Bei ihr wohnt ihre demente Mutter, die behauptet, Ida sei nicht ihre Tochter. Für einige Rhauderfehner ist das nicht überraschend. Als Teenager in Ostrhauderfehn war die unangepasste Ida bereits verschrien, und nachdem sie nach Berlin durchbrannte, um Sängerin zu werden, stand sie im Mittelpunkt zahlreicher Skandale.

Aus diesem Grunde sind Christa Hemmen und ihr Team beim Pflegedienst Crea. Heim und Pflege nicht besonders glücklich, als Ida ihre Mutter in einer Crea-Einrichtung betreuen lassen möchte. Selbst Harry, ein Fan der ersten Stunde, ist skeptisch.

Kurz darauf wird Ida ermordet. Während die Medien wie Heuschrecken über Rhauderfehn herfallen, beschließen Christa und ihre Kollegin Amke Kehl, mehr über Ida herauszufinden, um zahlreichen Gerüchten, die sich um Ida ranken, Einhalt bieten zu können. Dabei stoßen sie auf ein weiteres Gerücht, das einen Hinweis auf das Mordmotiv zu geben scheint ...

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In der Reihe erschienen auch:

Frühjahr 1990

Zigarettenrauch hing zwischen den Sitzen des Busses, gelbe Schwaden im Licht der Straßenlaternen. Im Halbschlaf sah er zu, wie die Wolken sich drehten, Formen annahmen und wieder verloren. Hinter den nassen Scheiben verschwamm die Stadt mit der Dämmerung. Auf abgenutzten Stoßdämpfern schwamm der Bus über die Schlaglöcher. In seinem benommenen Zustand fand er das Geschaukel beruhigend, als treibe er in einem Boot durch die Nacht. Ein Kopf fiel auf seine Schulter, neben sich hörte er ein missmutiges Stöhnen. Melli. Ausgerechnet. Er hatte vergessen, dass sie auf dem Sitz neben ihm war. Ein schläfriger Teil von ihm signalisierte Befriedigung, dass sie seine Nähe suchte, der wache Teil seines Bewusstseins warnte. Man sollte sie nicht zusammen sehen. Nicht nach der Szene vor der Abfahrt. Nicht nach den Drohungen dieser komplett durchgeknallten Zicke auf dem Sitz hinter dem Fahrer. Aber verlockend war Mellis Nähe schon.

Sie versuchte, sich auf dem Sitz zusammenzurollen. Ihr Absatz stieß in sein Schienbein. Nach einem weiteren Schlagloch drehte sie sich zu ihm.

„Wo sind wir?“

Ihre Augen waren halb geschlossen, die Haare zerzaust. Unter ihrem Make-up sah sie erschreckend jung aus.

„Keine Ahnung. Du kommst doch von hier.“

Jenseits der Stadt fuhr der Bus durch konturlose Dunkelheit. Der Regen blieb ihr Begleiter, trommelte auf das Dach und sprenkelte die Scheiben. Auch im Bus war es dunkel. Er lehnte mit der Wange an dem kühlen Glas. Müde, gelangweilt, aufmerksam nur für Mellis Körper so nah an seinem. In dem engen Sitz fand sie keine Position, in der sie länger als ein paar Minuten verharren konnte. Wenn sie sich ein weiteres Mal in ihrem Sitz wand, hörte er sie fluchen. Nach einer Woche schon hatte sie die Angewohnheiten der anderen angenommen. Niemand hätte gedacht, dass sie bis Silvester auf einer Opernbühne gestanden hatte. Ein beleuchtetes Ortsschild kam vorbeigeflogen.

„Kennst du das Kaff?“

„Nie gehört.“

Als er das nächste Mal aufwachte, hatte jemand weiter vorne die Beleuchtung über dem Sitz eingeschaltet. Das schwache Licht erhellte den Bus kaum, machte die Welt draußen jedoch undurchdringlich. Er sah hoch zu dem Lichtschalter über ihm, dann neben sich zu Melli, die eine Position zum Schlafen gefunden hatte. Gerne hätte er ihr gesagt, dass sie nicht alles hier ernst nehmen sollte. Dass sie sich den anderen nicht anpassen sollte, weil ihr eigenes Talent viel größer und frischer war. Zu viele Ohren waren in der Nähe. Er konnte nicht sicher sein, wer schlief oder wie er döste. Leise zog er seine Zigaretten aus der Hemdtasche. Als er das Feuerzeug schnappen ließ, regte sie sich.

„Stört es dich?“

„Nee.“

Wenn sie schlechte Angewohnheiten so schnell annahm wie schlechte Sprache, würde auch sie mit dem Rauchen anfangen.

„Hunger?“

„Mir ist schlecht.“ Hastig sah er zu ihr, doch sie grinste. „Geht schon. Ich fahr nicht so gerne Bus. Und dann der Alk.“

Draußen blieb Dunkelheit, kein Licht von Häusern oder anderen Fahrzeugen. Er sah dem Rauch seiner Zigarette zu. Es war besser, als sie anzusehen.

„Meinst du, die kriegt sich wieder ein?“ Er warf einen kurzen Blick zu ihr und starrte wieder an die Decke. Das Thema hatte er vermeiden wollen.

„Klar.“ Er räusperte sich. „Sie braucht dich im Chor.“ Da sie nichts sagte, schob er noch einen Satz hinterher. „Wer will den Job sonst haben?“

„Davon gibt es genug.“ Um sie herum schnarchten erschöpfte Männer. Er rappelte sich hoch und sah sie an. Das verwischte Make-up verdeckte kaum Mellis Gesichtszüge und damit einen der Gründe, warum die durchgeknallte Zicke auf ihr herumhackte.

„Glaub das nicht. Das sagt sie dir, weil sie glaubt, dass du nicht weißt, warum sie hier ist. Ohne die Wiedervereinigung gäbe es die Tour nicht, und ohne die Tour würde kein Hahn nach ihr krähen. Wenn sie jetzt keinen Erfolg hat, ist für sie der Zug abgefahren.“

Er sah wieder nach vorne. Wenn er Melli zu lange ansah, würde er verraten, was er lieber für sich behielt.

„Warum bist du bei ihr? Du bist richtig gut.“

Er lachte heraus, schlug sich aber die Hand vor den Mund.

„Ich habe schon oft mit ihr gearbeitet.“ Wenn die Zicke es diesmal nicht durchstehen würde, sähe es auch für ihn schlecht aus. Aber das brauchte Melli nicht zu wissen. Doch genau das wollte sie. Er merkte es an der veränderten Körperhaltung.

„Sie steht das nicht durch, oder?“

„Sie ist clean.“ Davon ging er aus. Er hatte sie früher erlebt, als die Chemikalien in ihrem Blut sie antrieben und zu einem Wirbelsturm auf der Bühne, und im Bett, machten.

„Sie hat keine Stimme und kann kaum einen Fuß vor den anderen setzen.“

Er zog die Schultern hoch.

„Aber sie kriegt das hin.“

„Vorher feuert sie alle.“ Melli nahm sein Schweigen als Zustimmung. „Die hat sie nicht mehr alle.“

„Sie braucht halt noch ein paar Tage.“ Melli schmollte. Er sah sie an. „Hör zu. Ich weiß, sie hat dich auf dem Kieker. Glaub nur nicht, sie nimmt dich nicht ernst. Die hat eine Heidenangst vor dir. Du bist jung, du siehst gut aus, du kannst was. Und du hast keine Angst. Du bist, wie sie früher mal war, nur dass sie eine Scheiß-Angst hatte.Die Angst konnte sie nicht aushalten. Und denk dran: Wenn sie die Tour durchsteht, und du am Ende dabei bist, stehen dir alle Türen offen.“

„Die olle Zicke. Eines Tages bringe ich sie um.“

Sein Feuerzeug rutschte zu Boden. Beide tauchten danach zwischen die Sitze. Im nächsten Moment ging ein Ruck durch den Bus, Metall kreischte auf Metall, Glassplitter regneten auf sie herab. Das letzte, woran er sich erinnerte, war Mellis Schulter in seiner Brust.

Mittwoch, 2. Woche Juni

Okko in Rhauderfehn

Okko Lüken wies mit der Hand auf den Radweg.

„Fahr mal rechts ran. Ich wette, das ist sie.“ Von seinem Kollegen Gerriet Haske kam ein zustimmendes Grunzen. Okko stieg aus, richtete seine Uniformjacke und ging der älteren Dame ein paar Schritte entgegen.

„Moin, moin, Frau Santer. Ist das nicht zu warm heute für einen Spaziergang?“, fragte er auf Platt. Strahlend sah die Dame zu ihm auf.

„Ja, da haben Sie Recht, Herr Wachtmeister“, entgegnete sie ebenfalls auf Platt. „Aber ich musste einfach losgehen, verstehen Sie?“ Okko nickte ebenso strahlend.

„Klar verstehe ich das, Frau Santer. Wie wäre es, wenn mein Kollege und ich Sie nach Hause fahren?“ Er hielt ihr seinen Arm hin.

„Och, das ist aber nett.“ Er half ihr auf den Rücksitz und schloss den Sicherheitsgurt für sie.

„Moin, Frau Santer“, rief Gerriet nach hinten. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“

Die Frau fasste Okko am Arm, als er sich aus dem Fond zurückziehen wollte.

„Gar nichts ist in Ordnung, Herr Wachtmeister. Deshalb wollte ich Sie auch anrufen, sobald ich zuhause war.“

„Ach, ja?“ Okko warf einen gequälten Blick zu seinem Kollegen. Der zuckte mit den Schultern. Okko hockte sich neben die offene Wagentür. „Was Sie nicht sagen. Was ist denn passiert?“ Die Dame nahm Haltung an, soweit ihr das unter dem Sicherheitsgurt möglich war.

„Stellen Sie sich vor: Man hat mich entführt.“ Okko nickte beeindruckt.

„Entführt hat man Sie, Frau Santer? Aber Sie gehen hier doch an der Rajenstraße spazieren.“ Sie sah ihn ernst an.

„Ich bin der Frau weggelaufen. Jetzt gehe ich nach Hause zu meiner Tochter.“

„Das haben Sie aber toll gemacht, Frau Santer“, lobte Gerriet. „Jetzt fahren wir Sie zu Ihrer Tochter.“

Unter den Dankesreden von Frau Santer stieg Okko auf den Beifahrersitz. Frau Santer sah ein paar Minuten schweigend aus dem Fenster. Plötzlich beugte sich vor. „He, wo bringen Sie mich hin?“ Okko schloss kurz die Augen, ehe er sich mit einem Lächeln umdrehte.

„Wir müssen einen kleinen Umweg fahren, Frau Santer.“

„Ja, da ist eine Baustelle am Rajen“, mischte sich Gerriet ein. „Deshalb ist die Straße gesperrt. Wir müssen einen riesigen Umweg über Westoverledingen fahren.“

„Ach, du meine Güte.“

Den Rest der Fahrt schwieg sie. Okko hoffte, sie sei eingeschlafen, doch als das Polizeiauto in die Auffahrt der Santers einbog, ertönte ein Protestruf.

„Das ist das falsche Haus. Hier wohne ich nicht. Herr Wachtmeister, ich wohne in Ostrhauderfehn. Jägerstraße. Da will ich hin. Meine Tochter wartet auf mich. Die macht sich immer so schnell Sorgen.“

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