Genres haben mit den Erwartungen der Leser zu tun. Bücher mit ähnlichen Schauplätzen, Charakteren und Handlungsabläufen werden anhand dieser Ähnlichkeiten einem Genre zugeordnet. In einen Western gehören demnach Cowboys und Indianer. Stehen sich zwei Männer in einer leeren Straße gegenüber, erwarten Leser eine Schießerei. In Horrorgeschichten muss das Böse umgehen, oft blutig. Bleiben solche Erwartungen an das Genre unerfüllt, ist der Leser enttäuscht.
Wer schreibt, muss sich irgendwann die Frage stellen, welchem Genre das Manuskript zugeordnet werden kann. Agenten und Verlage vertreten oft nur Literatur bestimmter Genres. Lässt sich ein eingereichtes Manuskript nicht eindeutig einem Genre zuordnen, wird es ungeachtet seiner anderen Qualitäten abgelehnt. Auch Self-Publisher müssen sich fragen, für welches Publikum sie schreiben. Spätestens, wenn Sie Kategorien und Schlagwörter angeben sollen, ist eine Entscheidung fällig.
Liest man Ratgeber über das Schreiben, finden sich keine klaren Aussagen darüber, wann das Genre festgelegt werden sollte. Es lassen sich zwei Strömungen ausmachen, die ich im Folgenden vorstellen möchte.
Erst schreiben, dann das Genre finden?
Etwa die Hälfte der Ratgeber empfiehlt, zunächst einfach den Ideen zu folgen und den ersten Entwurf zu schreiben. Während der ersten Durchsicht sollten Autoren dann auf Hinweise achten, welchem Genre der Text zugeordnet werden könnte. In den weiteren Bearbeitungsphasen nimmt der Autor Veränderungen in Hinblick auf das Genre vor, bis der Text den Erwartungen an das Genre entspricht.
Vorteile dieser Arbeitsweise
Der Autor ist bei der Entwicklung seines Themas und seiner Ideen frei und unterliegt lediglich seinen eigenen Ansprüchen hinsichtlich Thema, Charaktere, Sprache, Komplexität der Handlung. Dies begünstigt die Entstehung eines individuellen Ausgangstextes. Stereotype Charaktere und Handlungsmuster können so nicht entstehen.
Nachteile dieser Arbeitsweise
Der erste Entwurf kann Elemente eines bestimmten Genres enthalten, ebenso gut auch Elemente verschiedener Genres. Die Überarbeitung kann im letzten Fall zeitaufwändig sein, wenn große Teile des Textes einem Genre angepasst werden müssen.
Erst das Genre festlegen, dann schreiben?
Besonders Verfechter des geplanten Schreibens empfehlen, sich zunächst für ein Genre zu entscheiden und anschließend den Text gemäß der Erwartungen an das Genre zu entwickeln.
Vorteile dieser Arbeitsweise
Wer anhand eines Handlungsplans schreibt, spart bei der Erstellung des ersten Entwurfs Zeit. Die Anforderungen des gewählten Genres können in jeder Szene berücksichtigt werden. Da die Leserschaft von Anfang an festgelegt ist, lässt sich die Marketingstrategie leicht entwickeln.
Nachteile dieser Arbeitsweise
Der Arbeitsplan und die Festlegung des Genres verführen möglicherweise, die Erwartungen der Leserschaft zu übererfüllen. Dem Text droht das Abgleiten in die Vorhersagbarkeit. In den Bearbeitungsphasen ist es notwendig zu prüfen, welche stilistischen Elemente abgeschwächt oder herausgenommen werden sollten.
Wenn Sie schreiben …
Wenn Sie schreiben, sollten Sie immer einen Weg wählen, der Ihrem persönlichen Arbeitsstil entspricht. Gleichgültig, ob Sie jede Szene im Voraus entwickeln oder spontan schreiben, setzen Sie sich selbst Regeln, die Sie für die Dauer Ihrer Arbeitsphase einhalten.
Wahrscheinlich wissen Sie immer vor dem Schreiben ungefähr, wohin Ihre Geschichte Sie führen soll. Was Ihnen fehlt, ist oft nur die Bezeichnung des Genres. Notieren Sie sich, was Sie mit Ihrem Buch aussagen möchten. Oft entdecken Sie auf diese Weise Ihr Genre.
Möglicherweise hilft Ihnen ein Blick in Ihr Bücherregal weiter. Wenn Sie selbst am liebsten Liebesromane lesen, schreiben Sie vermutlich keinen Krimi. Aber manche Autoren sind so vielseitig, sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben, dass sie sich in verschiedenen Genres wohlfühlen.