Schreiben kann ich nicht! Das sagen Menschen, die natürlich zur Schule gegangen sind und das Lesen und Schreiben erlernt haben. Was sie meinen, ist nicht das Schreiben von Wörtern und Sätzen. Es ist das Verfassen von Texten, angefangen bei den üblichen Schulaufsätzen bis hin zu Blogposts oder Romanen. Mit dieser Einstellung pflegen diese Menschen ihre Hemmungen, sie stehen sich im Weg, während des Studiums, im Beruf und erst recht beim Ausleben ihrer Kreativität.
Was „Schreiben kann ich nicht“ wirklich bedeutet
Ich habe mit Menschen gearbeitet, die nicht oder nur wenige Jahre zur Schule gegangen sind. Im Leben dieser Menschen spielt schriftliche Kommunikation kaum eine Rolle. Sie haben andere, sehr kreative Wege gefunden zu kommunizieren. Wer das deutsche Schulsystem durchlaufen hat, kann meistens schreiben und verfasst auch die üblichen Alltagstexte. Aber nicht alle lieben das Schreiben. Ein Grund ist sicher die Erfahrung, dass Texte in Schule und Beruf nach Regeln verfasst werden muss und dass die Texte bewertet werden. Angst und Unbehagen sind die Folge, aber Angst und Unbehagen sind der Lust am Ausprobieren alles andere als förderlich. Die Vorstellung zu schreiben, weil es Freude bereitet, erscheint unter diesen Umständen absurd.
Hinzu kommt, dass die Schule zwar den Zugang zu Büchern und Literatur eröffnet, aber nicht lehrt, wie Texte entstehen und wie sie durch Bearbeitung besser werden können. Der lange Weg des Schreibens, den Autor*innen gehen lernen, wird auf die Produktion eines ersten Entwurfs verkürzt. Wer mit diesem Wissen versucht, selbst eine Geschichte oder einen Roman zu schreiben, muss feststellen, dass der Text weit hinter dem Niveau von veröffentlichten Büchern zurückbleibt. Das bestätigt das Gefühl der Unfähigkeit.
Kann ich vielleicht doch …?
Wichtigste Voraussetzung zum Schreiben ist wahrscheinlich der Wunsch, eine eigene Geschichte vom Kopf auf das Papier zu bringen, sie sichtbar und damit lesbar zu machen. Dann gehört Mut dazu, auszuprobieren, was noch nie versucht wurde. Ja, noch nie. Denn jeder erste Text, sei er noch so kurz, ist eine Wanderung in das innerste Selbst eines Menschen, und damit so einzigartig wie die der Mensch selbst.
Lange vor den Schreibworkshops und Schreibtipps geht es um die Ermutigung der Menschen, ihre eigenen Gefühle und Gedanken wahrzunehmen und auszudrücken. Damit verbunden ist die Suche nach einer Methode, sie auszudrücken, sei es mit Worten, Farben, Tönen oder dem eigenen Körper. Erst danach ist es möglich, Talente zu erkennen, die Arbeitsweise zu verbessern und gleichzeitig die Lust an der Kreativität zu steigern.