Letzte Woche steckte ein Flyer der hiesigen Jugendfeuerwehr im Zeitungsrohr. Die Anwohner unserer Gemeinde wurden gebeten, alte Kleidung zu spenden und an einem bestimmten Tag vor die Haustür zu legen. Gerade zum Wechsel der Jahreszeiten, besonders von Winter auf Frühjahr, ist so eine Abgabemöglichkeit in vielen Haushalten willkommen. Besagter Flyer hat eventuell auch Verwunderung und Kopfschütteln ausgelöst.
Eigentlich liest kaum jemand einen Flyer so intensiv wie ein Buch oder auch nur wie einen Zeitungsartikel. Doch an diesem Flyer blieben meine Augen haften. Das lag nicht am Wappen der Jugendfeuerwehr. Es waren die Rechtschreibfehler, die mich auf dem Weg vom Zeitungsrohr zur Haustür stutzen ließen. Bei knapp achtzig Wörtern ergaben sich zwölf Fehler.
Warum erwähne ich diesen Flyer überhaupt auf meinem Blog? Ich meine, Autoren können aus so einem Text Lehren ziehen. Er ist ein gutes Beispiel für eine Marketing-Aktion, die aufgrund mangelnder Sorgfalt ihren Zweck verfehlte.
Die Fehler:
- Das höfliche Anredepronomen „Sie“ und das Possessivpronomen „Ihre“ kleingeschrieben (fünfmal)
- Nebensätze nicht mit Komma angeschlossen (zweimal)
- falsches Wort (zweimal)
- Groß- und Kleinschreibung (zweimal)
- Redundanz (einmal)
Sehen wir uns einmal die auffälligsten Fehler an und versuchen, eine Lehre für uns Autoren zu ziehen.
Den Leser ansprechen und nicht ablenken
Der Leser dieses Flyers soll handeln (Kleidung spenden). Zunächst erinnert er sich an ein Problem, das ihn wahrscheinlich ärgert. Auslöser der Erinnerung ist eine Frage (im Original ohne Komma vor dem Relativsatz):
Sie haben noch Kleidung, Schuhe oder Textilien zuhause, die Sie nicht mehr haben wollen?
Diese erste Frage weckt Interesse, denn jemand weiß um unser Problem. Das fehlende Komma darf der Leser übersehen, tut es wahrscheinlich leichten Herzens. (Wen interessieren schon Relativsätze?)
Die zweite Frage könnte allerdings ein Zögern mit sich bringen.
Quillen die Klamotten schon aus dem Schrank?
Was heißt „quillen“? Selbst wenn Sie den Infinitiv nicht erkennen, haben Sie bestimmt das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. „Quellen“ ist ein wunderbar anschauliches Verb, stark und schön. Das Rechtschreibprogramm protestierte bei „quillen“, der Schreiber reagierte nicht.
Als Lehre aus den ersten beiden Fragen des Flyers möchte ich folgende Regel formulieren:
Wenn Dein Rechtschreibprogramm ein Wort nicht kennt, nimm ein Wörterbuch und überprüfe die Rechtschreibung. Auch wenn du sicher bist, dass du keinen Fehler gemacht hast!
Klare Handlungsanweisungen
Nachdem wir Anwohner erfahren haben, an welchem Tag die Altkleidersammlung stattfinden soll, erhalten wir die interessante Anweisung,
(…) Textilien ersichtlich an der Straße zu positionieren.
Als Leserin ahne ich, wie ich mein Kleiderbündel hinlegen soll, aber ich komme ins Grübeln. Da ist das formale Wort „positionieren“, welches einem Mitglied der Jugendfeuerwehr geläufiger sein dürfte als den meisten Lesern des Flyers. Vielleicht positionieren Feuerwehrleute ihr Gerät ersichtlich, darüber bin ich nicht informiert, Altkleider sollten „gut erkennbar“ am Straßenrand liegen.
Die zweite Lehre aus der Lektüre des Flyers lautet:
Schreibe nicht zu kompliziert und verwende keine Wörter, von denen du nicht hundertprozentig weißt, wie sie normalerweise benutzt werden. Wenn du meinst, du kannst auf ein Wort nicht verzichten, überprüfe die genaue Bedeutung.
Höflichkeit dem Leser gegenüber
Es ist schön, wenn ein Flyer höflich um eine Spende bittet statt im Befehlston mitzuteilen, wann und wo Altkleider abzugeben sind. Die deutsche Sprache verwendet zur formalen Anrede „Sie“. In der geschriebenen Sprache unterscheidet das große S die Anredeform von der dritten Person Plural. Das ist eine Konvention, die zur Verständlichkeit von Briefen und Flyern beiträgt. Fehlt das große S, ist nicht klar, wer die Altkleider auch direkt zur Feuerwehr bringen kann.
Alternativ können sie ihre Altkleider auch direkt zum Feuerwehrhaus bringen.
Als dritte Lehre empfehle ich zu beachten, dass Rechtschreibprogramme nicht zwischen dem Anredepronomen „Sie“ und dem Personalpronomen „sie“ unterscheiden. Lesen Sie einen Text immer persönlich Korrektur und achten Sie auf alle Wörter, die das Rechtschreibprogramm nicht unterscheiden kann.
Die vierte Lehre
Die vierte Lehre gilt für alle wichtigen Texte, die Sie veröffentlichen, seien es Bücher, Kurzgeschichten, Artikel oder Marketingmaterial. Lesen Sie immer den ganzen Text. Überprüfen Sie ihn außerdem mit einem Rechtschreibprogramm. Lassen Sie anschließend mindestens eine Person, die nicht am Text geschrieben hat, den gesamten Text lesen. Gesamter Text heißt auch Vor- und Nachwort, Klappentext, Impressum, Inhaltsverzeichnis, Autoren-Seite.