Wenn es um Texte geht, ist dies vielleicht zunächst eine verblüffende Frage. Texte erscheinen uns als eine Einheit mit dem Medium, in dem wir ihnen begegnen. Dabei wissen wir eigentlich, dass die Darreichungsform verschieden sein kann. Bei Arzneimitteln wundern wir uns nicht, wenn es einen Wirkstoff einmal als Saft, aber auch als Tablette oder als Zäpfchen gibt. Es ist naheliegend, dass einige Kranke Säfte ekelhaft finden und lieber Tabletten nehmen, während andere Tabletten nur mühsam herunterwürgen und deshalb Zäpfchen bevorzugen. Aber Texte?
Lesen in verschiedenen Formen
Wir sehen, bzw. lesen Texte in einer bestimmten Aufmachung. Diese Aufmachung kann uns ansprechen oder abstoßen. Manchmal verführt uns die Aufmachung eines Textes, etwas zu lesen, was wir normalerweise nicht lesen würden. Manchmal reicht es zu wissen, dass ein Text in einem bestimmten Kontext veröffentlicht wurde, um uns davon abzuhalten, den Inhalt ernst zu nehmen.
Wir wissen auch, dass wir Texte auf verschiedene Weise konsumieren können. Es gibt gebundene Bücher, Taschenbücher, Hörbücher, Bücher mit großer Schrift, elektronische Bücher, Bücher im Browser. Trotzdem erleben wir insbesondere gedruckte Texte als Einheit mit dem Medium.
Das liegt daran, dass das Medium oft so geschickt gestaltet ist, dass wir es nicht mehr wahrnehmen, wenn wir uns auf den Inhalt des Textes einlassen. Denn Form und Inhalt sind verschieden. Das hat auch Folgen für Autoren, besonders wenn sie ihre Texte selbst auf die Veröffentlichung vorbereiten.
Wie? und Was?
Im Grunde geht es bei Texten um zwei Fragen: Was und Wie.
Was? bezieht sich auf den Inhalt. Was schreibe ich? Was stelle ich dar? Was unterschlage ich meinen Lesern? Was überlasse ich ihrer Fantasie?
Wie? bezieht sich auf die Gestaltung des Textes. Die Gestaltung kann sprachlich sein und sich an verschiedenen Lesergruppen orientieren. Wie schreibe ich für Kinder über den Tod? Wie schreibe ich für Opernliebhaber über Jazz? Die Gestaltung kann sich auf Aspekte wie Schriftart und Schriftgröße beziehen, die Trennung von Sinnabschnitten und Kapiteln, das Cover, die Papierqualität, die Formatierung.
Form und Formatierung
Mit dem bösen Wort Formatierung nähern wir uns den von vielen so ungeliebten elektronischen Büchern an. Für manche Leser ist die Formatierung eines Textes auf Papier so selbstverständlich geworden, dass ihnen nicht bewusst ist, dass sie es mit durchdacht arrangierten Schriftzeichen auf Papier zu tun haben. Sie erkennen nicht, wie viel Arbeit in dieser Aufbereitung des Textes steckt. Deshalb wundern sich manche Autoren, wenn sie wie Leser denken, dass ihr hundertfach überarbeitetes Manuskript nicht einfach ausgedruckt und zum Buch gebunden werden kann.
Digitale Bücher erfahren auch eine Formatierung. Der Text im Fenster des Texteditors sieht nicht sehr einladend aus, im Browser oder auf dem E-Reader gleicht die Darstellung dagegen der auf Papier. Die Leser nehmen den Text als bekannt hin, das Lesegerät fällt ihnen dagegen auf, weil es eben kein „Buch“ ist.
Die Formatierung eines digitalen Textes erlaubt es, dem Text eine Form zu geben, die auf dem Papier nicht möglich ist. Eingebettete Videos oder Tonsequenzen, Links zu Bildern oder Texten außerhalb des Buches, Links zu anderen Handlungsebenen, Tagebucheinträgen der Protagonisten, Briefen oder Familienfotos, schaffen etwas, für das es derzeit noch keinen einheitlichen Namen gibt. Als „Buch“ würden viele Leser solche digitalen Textgebilde nicht erkennen. Die Darreichungsform solcher Texte ist ihnen zu fremd.