Charaktere in Büchern kommen aus allen möglichen Regionen der Welt oder des Landes. Ihre Sprache ist deshalb vermutlich nicht Standardsprache oder eine bereinigte Form der Umgangssprache. Doch die Sprache der Charaktere kann ein Problem werden, wenn Leser sie nicht verstehen, stocken und entnervt weiterblättern.
Leider gibt es keine Standardregeln, wie viel Dialekt oder Akzent akzeptabel ist. Leser haben außerdem unterschiedliche Erfahrungen mit Sprache, auch ihre Toleranzschwelle ist verschieden hoch. Autoren schließen von ihren eigenen Einstellungen als Leser auf die Wirkung ihrer Akzente oder Dialekte. Doch viele sind unsicher, was sie anderen zumuten können.
Ich empfehle zu überlegen, wie wichtig der Dialekt oder Akzent ist. Liegt in dieser Abweichung von der zu erwartenden Sprache ein Schlüssel zur Handlung oder ist es Dekoration? Dialekte kann man abspecken und auf typische Aspekte reduzieren, z. B. einzelne Ausdrücke einfließen lassen und eventuell im Dialog erklären oder aus der Rahmenhandlung des Dialogs nachvollziehbar machen.
Die Sprache, die wir Charakteren in den Mund legen, hat auch eine politische Dimension. Ein Blick in ältere Bücher zeigt uns Landbewohner, Dienstboten, Arbeiter als Sprecher einer nicht standardgemäßen Sprache. Einige Autoren wollten damit authentische Figuren schaffen, doch vielen ist zu unterstellen, dass sie mittels der Sprache diese Charaktere negativ belegten. Wenn Autoren, oder unabhängig von denen die Leser, Abweichung von „Normal“ als „Negativ“ deuten wollen, kann der Dialekt oder Akzent einer ansonsten eindeutig positiven Figur diese subtil umfärben, so dass die positiven Eigenschaften hinter den vermeintlichen, nur durch die Sprache angedeuteten, an Wert verlieren.
Meine eigene Auseinandersetzung mit einem sprachlich belasteten Charakter soll dies verdeutlichen:
In der Überarbeitung meines neuen Christa Hemmen-Krimis hadere ich mit dem englischen Akzent eines Charakters. In der ersten Fassung habe ich seinen Satzbau weitgehend englisch belassen. Nur in phrasenhaften Ausdrücken erscheint der deutsche Satzbau. Beim Schreiben der ersten Fassung fand ich dieses Vorgehen authentisch, bei der Überarbeitung fürchte ich nun, der Status des Charakters könnte darunter leiden, dass er so ausdauernd Fehler macht. Manchmal erscheint mir seine Sprache wie eine Parodie. Der Charakter wirkt in dieser Lesart komisch, etwa wenn er sich wundert oder über die Umgebung, in der er sich wiederfindet, reflektiert. Weil er ein Mann mit universitärer Ausbildung ist, sollte er aber Deutsch so sprechen, dass er sich nicht lächerlich macht. Schließlich spielt er eine wichtige Rolle bei der Lösung des Falls und hat einige romantische Ambitionen.
Darum soll dieser Charakter von nun an die Nebensätze meistens mit dem Verb in Endposition bilden. Das macht seine Sprache deutlich weniger holprig. Wenn die Anfangsposition des Satzes nicht das Subjekt ist, findet das Subjekt jetzt meistens seinen Platz hinter dem Verb. Aber eben nicht immer. Dadurch bleibt Lesern bewusst, dass dieser Charakter von außen in die Handlung gekommen ist und sie ihn entsprechend einordnen können.