Im März erscheint im Wieken-Verlag ein E-Book über die Ordenskette des Schwanenordens. Diese von Friedrich II zu Brandenburg 1440 gegründete Gesellschaft widmete sich bis nach der Reformation sozialen wie politischen Aufgaben. 1980 wurde der Schwanenorden als gemeinnütziger Verein neu gegründet. Beim Schreiben des Vorworts wurde mir wieder einmal bewusst, wie sehr unser heutiges Bild vom Mittelalter durch Filme und Historienromane geprägt ist. Sowohl in Büchern als auch in Filmen dient das Mittelalter meist als Hintergrund für eine Handlung, die in den meisten Fällen zu jeder anderen Zeit hätte ablaufen können.
Unser Wissen ist eine Ansammlung von Bildern und Einzelinformationen, die wir selten zusammentragen können. Für mich ergab sich so eine Gelegenheit zum Zusammentragen beim Schreiben des Vorworts. Dabei war ich verblüfft, wie verwoben so unterschiedliche Ereignisse wie eine Ordensgründung und ein Roman sein können, und wie weit solche mittelalterliche Verknüpfungen in die Gegenwart reichen und ganz am Rande sogar mit mir in Verbindung stehen.
Die Verbindung zu mir ist natürlich vage, geht aber minimal über die Bearbeitung des Manuskripts über die Ordenskette hinaus. Wer mich kennt, weiß vielleicht, dass ich als Kind am Niederrhein gelebt habe, in der Nähe von Kleve. Zu den zahlreichen Herrscherfamilien des Mittelalters gehörte das Haus von Kleve, das durch Heiraten mit dem Haus Brandenburg und damit mit der Familie des Ordensstifters Friedrich II verwandt war. Das Haus Kleve war wie andere Herrscherhäuser in dieser Zeit auch bestrebt, seinen Rang durch ruhmreiche Vorfahren zu verbessern. In Kleve berief man sich auf eine Verwandtschaft mit Gottfried von Bouillon, einem lothringischen Heerführer im ersten Kreuzzug, der der erste Regent von Jerusalem wurde. Von Gottfried von Bouillon hieß es, er sei der Schwanenritter gewesen. Im Mittelalter kursierten viele Schwanenrittersagen. Auch der deutsche Dichter Wolfram von Eschenbach griff diese Sagen auf und stellte den Schwan als Sinnbild für ritterliche Tugenden dar.
Es ist natürlich zu weit gegriffen zu behaupten, das Haus Kleve habe sich auf eine Romanfigur als Stammvater berufen. Doch natürlich machte der Parzival-Roman den Schwan als Sinnbild für ritterliche Tugenden noch bekannter, und Gottfried von Bouillon, der als Hüter des Heiligen Grabes verehrt wurde, hatte sich in der Wahrnehmung der Menschen Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zu einer mythischen Gestalt verwandelt. Literatur, aufgeschrieben und mündlich überliefert, veranlasste die Familie von Kleve zu ihrer Entscheidung, nicht nur einen Feldherren, sondern eine überhöhte Person zu ihrem Vorfahren zu erklären.
Was meinen Sie, welche moderne Figur aus der Literatur könnte es in späteren Jahrhunderten zu den Vorfahren berühmter realer Mensch schaffen?