Egal was für ein Buch Sie schreiben, gleichgültig welches Genre und welche Zielgruppe, Ihr Ziel ist immer ein in sich geschlossener Text. Beim Schreiben können Sie bereits darauf achten, doch der eigentliche Zeitpunkt, aus der ersten Version ein vorzeigbares Manuskript zu machen, ist in der Überarbeitung. Dann klopfen Sie Ihren Text auf den inneren Zusammenhalt und die logische Abfolge ab, und Sie kontrollieren jeden Absatz und jeden Satz auf Ausgewogenheit.
Wann ist ein Satz unausgewogen?
Jeder Satz hat die gleichen Grundbausteine. Subjekt und Prädikat sind mindestens vorhanden („Jasmine reitet.“), meistens kommt ein Objekt hinzu („Jasmine reitet den Hengst.). Solche Sätze sind unkompliziert. Bei der Überarbeitung können Sie mit sich selbst hadern, ob solche Sätze zu kurz oder zu lang sind, ob sie zu wenig Atmosphäre wecken oder zu wenig Emotionen hervorrufen. Eines sind solche Sätze nicht: unausgewogen. Sie können innerhalb eines Absatzes Probleme bereiten, aber als für sich genommen sind Subjekt + Prädikat + Objekt unkompliziert.
Kopfzerbrechen bereitet alles, was einen Satz interessant macht: Adjektive, Adverbien, Ergänzungen jeder Art und Nebensätze.
Jasmine reitet den schwarzen Hengst.
Jasmine reitet wild den schwarzen Hengst.
Am Abend reitet Jasmine wild auf dem schwarzen Hengst in den Sonnenuntergang.
Am Abend nach dem Streit mit Chantal, der Hofbesitzerin, reitet die immer noch wütende Jasmine mit ihrem wildem Temperament, das sie von ihrer Mutter, einer Spanierin aus Sevilla, geerbt hatte, auf dem schwarzen Hengst Alba, den sie jedoch Prinz nannte, in den Sonnenuntergang, weil sie nicht wollte, dass Chantal das Ross an den schleimigen Typ im Porsche verschacherte.
Zum einen kann ein Satz durch ungünstig platzierte Ergänzungen oder Nebensätze schwer verständlich werden, zum anderen kann sich die Bedeutung des ganzen Satzes ändern, wenn ein Adverb seine Position ändert. Auch die Wortwahl kann einen Satz aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn Wörter aus verschiedenen Sprachregistern zusammenstoßen, bringt das immer einen Überraschungseffekt für den Leser mit sich. Manchmal ist dieser Überraschungseffekt genau richtig, oft stutzt der Leser jedoch mit dem vagen Eindruck, dass etwas nicht stimmt.
Wie kann ich unausgewogenen Sätze erkennen und überarbeiten?
Nach meiner Erfahrung helfen bei der Überarbeitung zwei Dinge: zeitlicher Abstand und lautes Lesen.
Beginnen Sie nicht sofort nach dem letzten Punkt mit der Überarbeitung. Lassen Sie Ihren Text liegen, wenigstens bis zum nächsten Tag. Zwei Wochen sind besser. In dieser Zeit gewinnen Sie Distanz zum Text. Manche holprige Stelle fällt Ihnen sofort ins Auge. Wenn Sie zudem laut lesen, sollten Sie alle Stellen näher untersuchen, an denen Sie ins Stocken geraten.
Halten Sie Ausschau nach Füllwörtern wie „sehr“
Füllwörter plustern einen Satz auf, tragen aber fast nie zum besseren Verständnis oder zur Konkretisierung bei. Sie können solche Wörter meistens einfach streichen, ohne den restlichen Satz zu verändern.
Thomas hat sehr exzessiv trainiert.
Er fand schon, dass sie gut aussah.
Sie war einfach traurig.
Sie hat ja schließlich keine Zeit für ihn.
Entscheiden Sie sich für das passende Adjektiv
Leser schaffen sich mit Fantasie aus Ihrem Text Bilder. Adjektive geben der Fantasie Hinweise, wie das Bild auszusehen hat. Damit engen Adjektive ein. Zu viele Adjektive machen vielleicht die Oberfläche des Textes interessant, tatsächlich regt ein Text mit zu vielen Adjektiven die Fantasie weniger an.
In die langen, lockigen goldroten Haare der kleinen feingliedrigen Prinzessin waren silberne Glöckchen an mit grünen und blauen Edelsteinen besetzten samtenen Bändern eingeflochten.
Seien Sie vorsichtig mit Adverbien
Wie Adjektive geben Adverbien zusätzliche Informationen. Sie ergänzen Verben. Doch Verben sind bereits starke Wörter, die sehr viele Informationen in sich vereinen. Zusatzinformationen zu den Verben können sich gegenseitig ausschalten und gleichzeitig das Lesen des Satzes erschweren.
Er hatte den Besuch höchstpersönlich schriftlich avisiert.
Sie schaltet sich engagiert in das Gespräch ein.
Nicht alle Regeln gelten immer
Obwohl Sie diesen Hinweisen bei der Überarbeitung des gesamten Textes folgen können, gelten sie besonders für erzählende Passagen.
Wörtliche Rede soll den Charakter beleuchten und darf deshalb typische Abweichungen vom Stil des Textes aufweisen. Achten Sie darauf, dass die wörtliche Rede für jeden Charakter bestimmte typische Abweichungen enthält.