Dies ist das zehnte Sommerinterview auf meinem Blog. Hier lernen Sie Autoren oder Kollegen kennen, entdecken neue Bücher, finden Gemeinsamkeiten und sammeln vielleicht den einen oder anderen Tipp auf. Heute lesen Sie über Helmut Barz.
Bitte stellen Sie sich und Ihre Bücher kurz vor.
Mein Name ist Helmut Barz und ich lebe in Offenbach am Main. Ich arbeite als freier Texter, Regisseur und Autor. Meine bekanntesten Veröffentlichungen dürften die Krimis um die eigenwillige Frankfurter Kriminalpolizistin Katharina Klein sein: Westend Blues (2009), African Boogie (2011), Dolphin Dance (2012) und Damenopfer (2015). Aktuell veröffentliche ich ein Projekt zeitgleich als Webserie, Buch, eBook und Hörbuch – ein Self Publishing Experiment. Mehr Informationen dazu auf der Homepage des Projektes www.die-herrin.info.
1. Wie lange schreiben Sie schon? Wann wussten Sie, dass Sie Ihre Texte veröffentlichen wollten?
Ich kann, ohne rot zu werden, behaupten, das Schreiben wurde mir in die Wiege gelegt. Schon mein Vater war Schriftsteller und Journalist. Schreiben und Bücher waren also seit frühester Kindheit um mich herum. Ich habe also schon sehr früh angefangen, mir Geschichten auszudenken, die zunächst meine leidgeprüften Eltern aufschreiben mussten, bevor ich selber schreiben konnte. So gesehen – ich bin jetzt 46 Jahre alt – habe ich also das 40Jährige Schreibjubiläum hinter mir. Ich habe dann während der Uni viel geschrieben, auch in meiner Zeit am Theater (ich bin ausgebildeter Theaterregisseur). Dann wurde Schreiben zum Beruf, als ich als Texter und Kreativdirektor in die Werbung wechselte. Das Romane-Schreiben war immer so ein Wunschtraum von mir. 2003 dann kam in der Werbung eine Krise und ich wurde zugleich krank, hatte also plötzlich Zeit. Zeit, die ich dazu nutzte, meinen ersten Roman zu schreiben. Und dann hatte ich plötzlich einen Agenten und einen Nachfolgevertrag …
2. Wie groß ist der Anteil, der das Schreiben in Ihrem Leben einnimmt? Was machen Sie, wenn Sie nicht schreiben?
Ich schreibe beruflich, verbringe also viel Zeit mit dem Schreiben und den dazugehörigen Arbeiten. Zum Ausgleich treibe ich viel Sport. Und hin und wieder möchte meine Lebensgefährtin auch etwas meiner Zeit für sich beanspruchen. Beruflich mache ich neben dem eigentlichen Schreiben aber auch noch andere Dinge, ich führe etwa bei Unternehmensfilmen oder Events Regie; oder ich stehe, als Lesender, selbst auf der Bühne. So etwa am 31. Mai, dem Hessischen Tag für die Literatur. Mehr Infos dazu auf meiner Homepage www.helmut-barz.info.
3. Wodurch lassen Sie sich inspirieren? Wie entstehen aus Ihren Ideen Texte?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich versuche, mit möglichst wachen Augen durchs Leben zu gehen. Hinzu kommt meine mitunter seltsame Fantasie. Manchmal bleibt auch ein Stoff einfach so hängen und spielt Jahre später eine Rolle. So in meinem letzten Krimi, der damit beginnt, dass sich ein hochrangiger Politiker in aller Öffentlichkeit erschießt. Dieses Szenario wurde von Bud Dwyer inspiriert, einem amerikanischen Politiker, der unschuldig wegen Korruption verurteilt wurde und sich auf seiner letzten Pressekonferenz das Leben nahm. Man findet Aufnahmen dieser Pressekonferenz im Netz. Allerdings nicht geeignet für Menschen mit schwachen Nerven. Diese Geschichte, auf die ich im Rahmen einer ganz anderen Recherche mehr oder minder zufällig stieß, hat mich nicht losgelassen – und wurde so zum Ausgangspunkt meines Krimis (wenn der Krimi auch letztlich eine ganz andere Geschichte erzählt).
Aber eigene Erlebnisse (ich reise gerne und habe zum Beispiel im letzten Jahr 5 Monate in New York verbracht), Zeitungsausschnitte, das Internet … überall lassen sich Geschichten finden.
Der Weg zum Text ist gleichfalls recht vielgestaltig. Manchmal ist klar, welche Form, welche Erzählweise eine Idee, eine Geschichte braucht. Manchmal nicht. Meine Krimis haben mal als Konzept für eine Fernsehserie angefangen.
Da der Roman meine Form zu sein scheint, stellt sich für mich natürlich heute sehr rasch die Frage, ob eine Idee, ein Stoff Romantauglich ist. Dann beginne ich weiter zu recherchieren, hoffe, dass sich Szenen, Bilder in meinem Kopf einstellen. Aus denen baue ich dann die Handlung, zuletzt den Text.
4. Planen Sie Ihre Bücher oder schreiben Sie ins Blaue? Wie behalten Sie die Übersicht über Handlungsstränge, Charaktere und Orte?
Ich plane ziemlich akribisch. Allerdings stelle ich beim Schreiben häufig fest, dass mein Plan nicht ganz funktioniert und ich etwas ändern muss. Oder es stellt sich beim Schreiben eine weitere Idee ein, ich verliebe mich in eine Figur: So taucht in meinem ersten Krimi ein Kind auf, Laura, die etwas altkluge, fast fünfjährige Tochter der Nachbarin meiner Kommissarin, die eigentlich nur in einem Kapitel auftreten sollte. Aber die Chemie zwischen ihr und der Kommissarin war so gut, dass aus dem Kind eine weitere Hauptfigur wurde.
Den Überblick behalte ich zum einen durch eine große Pinnwand, auf der ich mit Karteikarten die Handlung ausplotte: Ich habe dann ein genaues Raster und eine genaue Szenenfolge, an der ich mich entlanghangeln kann. Zum anderen führe ich genau Buch über die Charaktere, lege für jede Person ein Dokument an, in dem ich alles Wesentliche (Aussehen, Verhalten, Position in der Handlung etc.) festhalte. Netterweise gibt es jetzt die Textverarbeitung Papyrus (die Andreas Eschbach mitentwickelt hat), die dafür inzwischen Datenbanken und Werkzeuge bereitstellt. Zudem teste ich gerade eine virtuelle Version meiner Pinnwand, die ein Bekannter als Tool programmiert hat.
5. Wie überarbeiten Sie Ihre Texte?
Für mich ist zunächst einmal ganz wesentlich, einmal durch den ganzen Text durchzukommen (auch wenn ich zum Aufwärmen am Morgen gelegentlich schon mal über das Geschriebene des Vortags drübergehe). Wenn der Text in der ersten Fassung fertig ist, lasse ich ihn ein paar Tage ruhen (oder bis zum nächsten Tag bei den kürzeren Werbetexten). Dann kommt zunächst einmal die Kürzungsphase. Bei Romanen habe ich die Faustregel, mindestens 10 Prozent zu streichen, beim letzten Roman war ich sogar fast ein Viertel über die vertraglich vereinbarte Länge. Das ist ein ganz guter Beginn, denn so frage ich mich bei jedem Wort, ob ich es wirklich brauche. Manchmal fallen auch ganze Szenen weg (oft schöne Szenen), die ich mir dann aber für den nächsten Roman aufhebe. Bei meinem letzten Krimi ist eine ganze Nebenhandlung dem Strich zum Opfer gefallen. Diese Handlung ist jetzt eine Basis des nächsten Bandes.
Dann folgen viele, viele Überarbeitungsgänge. Mal geht es vor allem um die Geschichte: Habe ich keine losen Enden mehr? Mal um Sprache (ich lese mir auch den Text immer wieder laut vor; gute Texte klingen!) und um Tippfehler. Dazwischen gebe ich den Text Testleserinnen und Testlesern zur Lektüre. Menschen, denen ich sehr vertraue und deren Urteil mir sehr wichtig ist.
Dann geht der Text ins Lektorat, wo es dann noch mal ein bis zwei Überarbeitungsrunden gibt. Zuletzt gibt es dann noch die Fahnenkorrektur. Man kann also sagen, dass ein Text bei mir etwa 20 Versionen durchlaufen hat, bevor er veröffentlicht wird.
6. Wie sieht der Ort aus, an dem Sie schreiben?
Momentan sitze ich an meinem Schreibtisch im Wohnzimmer meiner Wohnung. Ich habe einen zweiten Arbeitsplatz in meinem Arbeitszimmer, aber dort mache ich eher grafische und technische Dinge. Ich bin aber auch oft bei meiner Lebensgefährtin, wo ich inzwischen auch einen eigenen kleinen Schreibtisch stehen habe. Manchmal gehe ich aber auch in die Frankfurter Uni-Bibliothek oder setze mich zum Überarbeiten in ein Café.
Mein Schreibtisch selbst ist recht karg: Notebook, großer Monitor, Tastatur, Telefon, ein paar Arbeitsunterlagen, aber nicht zu viele.
7. Wer sind Ihre Leser? Kennen Sie Ihre Leser? Warum schreiben Sie ausgerechnet für diese Leser?
Ich versuche sogar, meine Leser sehr genau zu kennen. Viele kenne ich inzwischen auch persönlich oder aus sozialen Netzwerken. Tendenziell sprechen meine Bücher Frauen an, aber ich habe auch männliche Leser (Verhältnis etwa 70:30). Alter und Bildung sind recht unterschiedlich. Ich bemühe mich auch, mit meinen Leserinnen und Lesern in Kontakt zu kommen; sei es auf Lesungen oder in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Und wer mir eine Mail schreibt, wird in jedem Fall eine Antwort bekommen. Ich bin auch auf Lovelybooks aktiv und begleite dort regelmäßig Leserunden.
Warum ich gerade für diese Leser schreibe? Das hat sich so ergeben. Ich habe meine Bücher eigentlich erst mal für mich geschrieben. Dass sich da auch weitere Leser fanden, ist ein schönes Ergebnis, aber auch nicht unbedingt vorhersagbar. Man siehe nur die zahlreichen „Zielgruppen-Veröffentlichungen“ der Verlage, die dann floppen (zurzeit die zahlreichen 50 Shades-Epigonen) oder die Chicklit-/Regionalkrimi-Schwemme.
Ich mag aber meine Leserinnen und Leser. Entsprechend versuche ich, sie nicht zu enttäuschen.
8. Was unternehmen Sie für den Erfolg Ihrer Bücher?
Das ist etwas, was ich erst lernen musste und was vielen neuen Autoren sicher auch noch begegnet: Auch wenn man einen Verlag hat, hängt viel an einem selbst. Deswegen bin ich in sehr vielen sozialen Netzwerken aktiv, unterhalte mehrere Homepages und versuche, so viele Lesungen wie möglich zu veranstalten. Dann suche ich natürlich auch gezielt nach Kontakten, etwa zu Bloggerinnen und Bloggern oder anderen Multiplikatoren. Der Erfolg von Büchern wird sehr stark von Mund-zu-Mund-Propaganda beeinflusst. Entsprechend versuche ich eben, das zu fördern und nicht nur gute Bücher zu schreiben, sondern auch als Autor ansprechbar zu sein. Das ist mir wichtig, dass ich mit meinen Leserinnen und Lesern kommunizieren kann.
Hier mal ein paar Links:
Meine Homepages:
www.helmut-barz.info (meine Autorenseite)
www.helmut-barz.com (Meine Werbungs-Seite)
www.die-herrin.info (mein aktuelles Projekt)
Auf Facebook:
https://www.facebook.com/Sonderermittlungseinheit (Krimis)
https://www.facebook.com/HerrinRoman (aktuelles Projekt)
Auf Twitter:
https://twitter.com/coeur42 (persönlicher Account)
https://twitter.com/DieHerrinRoman (aktuelles Projekt)
9.Wenn Bücher verboten wären, welches Buch würden Sie heimlich behalten?
Eine Fibel zum Lesen-/Schreiben-Lernen. Denn diese Kunst darf nicht verloren gehen. Es gibt zu viele Bücher, man kann sie nicht alle vernichten. Aber man kann dafür sorgen, dass sie niemand mehr versteht. Und da muss Widerstand ansetzen.
10. Was wäre Ihr wichtigster Tipp für einen neuen Autor?
Mich begleiten zwei Zitate von Hemingway, die die Arbeitsethik eines Autors gut beschreiben. „Schreiben. Mehr schreiben. Noch mehr schreiben.“ Und „Die erste Fassung von allem ist Bullshit.“ Also: Schreiben lernt man nur durch Schreiben, Texte werden erst durch Überarbeiten wirklich gut. Dem würde ich noch hinzufügen: „Leben. Mehr leben. Noch mehr leben.“ Denn sonst gehen einem irgendwann die Ideen aus. Und noch niemand hat auf dem Totenbett gesagt: „Hätte ich doch damals den Dativ verwandt.“