Seit dem Jahr 2000 begehen wir weltweit am 21. März den UNESCO-Tag der Poesie. Wer den kurzen deutschen Wikipedia-Artikel zum Welttag der Poesie liest, erfährt, dass dieser Tag dem Stellenwert der Poesie, der Vielfalt des Kulturguts Sprache, der Bedeutung mündlicher Traditionen und der Förderung des interkulturellen Austauschs gewidmet ist. Interessanter ist jedoch der Hinweis im englischen Wikipedia-Artikel, dass früher der Tag der Poesie am 15. Oktober, dem Geburtstag des römischen Dichters Virgil, gefeiert wurde. Dieser Artikel verlinkt auch zu globalpoetry.org. Diese internationale Nichtregierungsorganisation setzt sich für die Entstehung einer Kultur der Gewaltlosigkeit ein und wird durch die Vereinten Nationen unterstützt.
Wer den deutschen Literaturunterricht kennt, wundert sich vielleicht über die Kraft, die der Poesie zuerkannt wird. Das liegt an der Konzentration auf formale Aspekte der Literatur. Zwar gibt es immer wieder Versuche, diesen an formalen Aspekten orientierten Unterricht aufzubrechen. Doch die Frage nach den Emotionen, die Gedichte beim Leser wecken sollen, wird nur am Rande betrachtet. So bleibt am Ende einer Unterrichtseinheit unklar, was beispielsweise an den Gedichten des Vormärz revolutionär war und warum Dichter in Vergangenheit und Gegenwart so schnell verhaftet werden. Die Gedichte aus dem Poesiealbum können nur wenige zu Revolutionären machen.
Dabei wäre es so wichtig, wenn sich mehr Menschen der Macht des Wortes erinnern würden. Wenn das mit Irgendwie umschriebene Unwohlsein angesichts von Veränderungen und Anforderungen zur politische Aussage wird, dann sind klare Worte notwendig. Denn irgendwie Angst vor Fremden, irgendwie Angst vor einer anderen Religion kann schnell zu irgendwie Angst vor jeder anderen Lebensweise, irgendwie Angst vor freier Meinungsäußerung oder irgendwie Angst vor Abtreibung und Verhütung werden. Das Irgendwie als Beschreibung eines neuen, noch nicht reflektierten Eindrucks ist nachvollziehbar. Aber auf jedes Irgendwie müssen Überlegungen folgen und diese sollten mit dem Verstand angestellt werden.
Für mich ist eine Aufgabe der Poesie in diesen Tagen, das Irgendwie der Angst aufzubrechen, Emotionen auszusprechen und mit Kreativität und Respekt vor jedem Menschen Offenheit für neue, befreiende Lösungen zu schaffen.