Vor zwanzig Jahren kamen motivierte Lehrer an die Uni und erzählten den Studenten, dass Schüler am PC mit der Copy-and-Paste-Methode Schülerzeitungen zusammenstellen und E-Mails an Schüler der Partnerschulen verschicken können sollten. Das hieße Medienkompetenz entwickeln. Nicht wenige Studenten hielten diese Entwicklung für gefährlich. Einige dieser Studenten sind heute Lehrer in mittleren Jahren, einige schreiben nebenher Bücher. Wie sieht es mit ihrer Medienkompetenz aus?
Heute ist technisch vieles möglich, das vor zwanzig Jahren als Erfindung alberner Science Fiction-Serien abgetan wurde. Die meisten Lehrer wissen mit ihrem Smartphone umzugehen und besitzen einen Computer. Die meisten Autoren auch. Die Schere zwischen denjenigen, die die Möglichkeiten neuer Medien nutzen, und den chronischen Verweigerern geht weiter auf.
Solange ich per E-Mail Manuskripte erhalte, die aussehen, als wären sie mit der Schreibmaschine getippt worden, fürchte ich, ist es mit der Medienkompetenz von Autoren nicht weit her. Auch die Benennung der Dateien ist erstaunlich wenig durchdacht. Es ist mir gleichgültig, wie die Manuskriptdatei auf dem Rechner des Autors heißt. Wenn sie in meinem Postfach landet, wäre es schön, wenn sie den Titel des Manuskripts und im Idealfall auch den Namen des Autors enthält. Manuskript1 ist kein guter Name, außer das Manuskript trägt diesen Titel.
Wenn ein Manuskript von Fehlern strotzt, die leicht mit einem Rechtschreibprogramm gefunden und korrigiert werden können, dann hat jemand die Mühe gescheut, den Text selbst durchzuarbeiten, wusste nichts von der Existenz eines Rechtschreibprogramms oder wollte von strukturellen Problemen des Manuskripts ablenken. Alle drei Fälle sprechen von fehlendem Handwerkszeug, einer von mangelnder Medienkompetenz. Manchmal glaubt man, am Text zu sehen, welche Passagen im heimischen Büro geschrieben und welche auf der Parkbank ins Telefon getippt wurden. Es ist schön, dass der Autor sein Telefon auch zum Schreiben benutzt, er versteht nur nicht, den Text mit anderen Mitteln – auch des Telefons – zu überarbeiten.
Wenn diskutiert wird, wie viel Informatik Schüler lernen sollen und ob Augmented Reality Teil des Unterrichts sein kann, geht es in der Praxis immer noch darum, ob jemand in der Lage ist, einen Text so zu präsentieren, dass er lesbar ist und Basis für eine Bearbeitung sein kann. Grundlegende Medienkompetenz ist leider viel zu wenig verbreitet. Vermutlich ist das auch ein Grund, warum digitale Unterstützung des Lernens an Schulen so ablehnend gesehen wird.