Die Melodie der Sprache


 In meinen Deutschkursen sage ich den Teilnehmern immer, dass jede Sprache wie ein Lied ist. Sie müssen sich auf den Klang des Deutschen einlassen wie auf eine Melodie. Auch jeder Text ist eine Melodie. In der Musik kennen wir den Rhythmus, das Tempo, die Tonfolgen. Sie beruhigen uns oder treiben uns an. Das kann auch ein Text. Jede Szene ist ein Lied, jedes Kapitel ist ein Lied, und der gesamte Text ist ein langes Lied. Mal treiben kurze Sätze und Wörter die Handlung schnell voran, mal lullen uns lange Sätze und Wörter mit vielen Silben ein. Entscheidend ist, die Wörter und Sätze auf Szenen und Kapitel abzustimmen.

So wie Komponisten ein Musikstück immer wieder spielen, sollten Sie Ihren Text immer wieder laut lesen. Über Ihre Ohren merken Sie nicht nur, ob die Sprache gut klingt, sie erfahren auch, ob das emotionale Tempo der Szene oder des Kapitels zur Sprache passt.

Dazu hilft es, für jede Szene zu bestimmen, welche Funktion sie hat und welche Stimmung herrscht. Treibt die Szene etwa die Handlung voran, sind die Charaktere angespannt, weil sie kritische Augenblicke erleben? Oder finden die Charaktere Augenblicke der Ruhe?

Jede Szene und jedes Kapitel hat wie der gesamte Text Einleitung, Höhepunkt und Schluss. Die Sprache des Textabschnitts sollte diesem Rhythmus folgen. Wie groß die spannungsunterschiede innerhalb eines Abschnitts sind, hängt von der Textart ab und von der Position der Abschnitts im Gesamttext.

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