Die erste Version eines Manuskripts sollte immer aus dem Herzen oder wenigstens aus dem Bauch kommen. Bei der Überarbeitung ist der Kopf an der Reihe, Ihre Ergüsse von Herzblut in eine für Leser nachvollziehbare Form und Sprache zu bringen.
Sie überarbeiten Ihr Manuskript mit zwei Zielen im Hinterkopf: Erstens sollte die Produktion, insbesondere des gedruckten Buchs, möglichst preiswert sein. Zweitens sollten Leser das fertige Buch mit Genuss lesen können. Dazu gehören neben einer klaren Handlung, faszinierenden Charakteren und spannenden Verwicklungen eine Sprache, die den Leser dezent führt und gleichzeitig begeistert. Wenn Sie das zweite Ziel gewissenhaft umsetzen, arbeiten Sie auf das erste hin. Überarbeiten Sie Ihren Text unter den Vorgaben des ersten Ziels, ruinieren Sie ihn für Ihre Leser.
Gleichgültig, was Sie von Schreibratgebern halten, müssen Sie Ihren Text immer auch auf die Sprache durcharbeiten. Konzentrieren Sie sich dabei auf:
- Unnötige Füllwörter
- Unnötige Details
- Starke Verben
Die Betonung bei den ersten beiden Punkten liegt auf unnötig.
Unnötige Füllwörter
Adverbien sind die Opfer einer Hetzkampagne. Dabei ermöglichen sie, Zusammenhänge im Text eindeutig zu definieren, Aussagen zu relativieren und Hinweise auf die emotionale Einordnung zu geben. Geschickt eingesetzt, sparen sie zusätzliche Sätze. (Siehe Punkt 2). Aber Adverbien, präpositionale Ausdrücke und Pronomen eignen sich auch dazu, einen Text weniger klar und präzise zu machen.
Meine anfängliche Faszination für Adriana wandelte sich in angesichts ihres dauerhaft unausgeglichenen Verhaltens in eine gereizte Weigerung, irgendeine ihrer noch so brillanten Formulierungen für bare Münze zu nehmen.
Ich frage mich: Welchen Zweck erfüllen anfänglich und dauerhaft? Was stelle ich mir unter einem unausgeglichenen Verhalten vor? Welche Information verbirgt sich hinter irgendeine? Was bedeutet bare Münze in diesem Kontext?
Die Länge der Wörter spielt in der deutschen Sprache eine untergeordnete Rolle. Im Internet kursieren Schreibtipps, die aus dem Englischen übernommen wurden. Englische Wörter sind oft kürzer als deutsche. Englische Adverbien sind im Vergleich zu anderen Wortarten lang. Wörter, die aus dem Französischen oder Lateinischen stammen, sind ebenfalls lang. Um die Aufmerksamkeit der englischen Leser nicht zu strapazieren, empfehlen englische Schreibratgeber, lange Wörter gegen kurze auszutauschen. In einem deutschen Text dürfen Sie auch lange Wörter verwenden. Achten Sie darauf, ob der Satz gut klingt, und stellen Sie sicher, dass jedes Wort, kurz oder lang, eine Funktion im Satz erfüllt.
Unter diesen Voraussetzungen könnten Sie den Beispielsatz so umformulieren:
Am Anfang unserer Bekanntschaft faszinierte mich Adriana. Ihre Launen und ihre Sprunghaftigkeit schreckten mich jedoch nach kurzer Zeit ab. Ich reagierte gereizt auf ihre brillanten Formulierungen und weigerte mich, ihnen Glauben zu schenken.
Sie entscheiden, wie Ihre Sätze klingen. Stehen Sie zu Ihren Sätzen, wenn Sie mit Bestimmtheit sagen können, dass jedes Wort an seiner Stelle wichtig ist.
Unnötige Details
In ihrer E-Mail hatte Oktavia erwähnt, dass sie, wenn sie die Zeit finden würde, nach Hamburg kommen wollte.
Wenn es wichtig ist, dass Oktavia all dies in einer E-Mail erwähnt, sollten Sie dem Leser diese Information vorher geben. Die Einschränkung wenn sie Zeit finden würde kann wegfallen, wenn sie keine eigenständige Bedeutung hat.
Ich wartete voll Ungeduld auf eine Nachricht von Oktavia. Im August kam eine E-Mail von ihr. Darin erwähnte sie nebenbei, dass sie nach Hamburg kommen wollte.
Starke Verben
Alfons wurde von der Angst zurückhalten, dass er durch sein Vorgehen, Schaden anrichten würde.
Erzählende Texte stehen im Aktiv. Sparen Sie das Passiv für die Situationen auf, in denen es sinnvoll ist, einen Charakter in einer unfreiwillig inaktiven Position darzustellen (Alfons wurde von Unbekannten niedergeschlagen.). Aktive Verben treiben die Handlung voran. Wählen Sie Verben, die eine starke eigene Bedeutung haben. Solche Verben benötigen meistens keine Adverbien (siehe Punkt 1). Wenn Sie die Feinheiten des Konjunktivs benötigen, verwenden Sie ihn. Wenn es Ihnen jedoch darum geht, Zweifel auszudrücken, behalten Sie den Indikativ bei und wählen passende Verben. Formen der starken Verben klingen im Konjunktiv altmodisch, manche Leser kennen sie vielleicht nicht. Die Formen der schwachen Verben sehen aus wie das Präteritum, was zu Verwirrung führen kann. Der Konjunktiv mit Würde wiederum wirkt durch die Satzklammer behäbig, ist aber weit verbreitet und oft die einzige Form des Konjunktivs, die Leser erkennen können.
Alfons zögerte aus Angst, dass er Schaden anrichten würde, wenn er seinen Plan verwirklichte.
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