Viele Bücher, nicht nur Krimis und Thriller, beinhalten Gewaltszenen. Gewalt hat ihren Platz in Texten, so wie Sex, Sarkasmus oder Übertreibung. Wenn Sie Gewalt beschreiben, wollen Sie beim Leser Emotionen wecken: Schock, Bewunderung, Mitleid, Befriedigung. Wie jedes Stilmittel braucht auch Gewalt einen glaubhaften Kontext. Sie wollen dem Leser vermitteln, dass selbst in einer Handlung, in der Gewalt den Alltag der Charaktere prägt, etwa während eines Krieges, auch diese Szene Berechtigung hat.
Das Problem mit Gewaltszenen ist die Gefahr der Abstumpfung. Leser blättern schlimmstenfalls einfach weiter, weil sie den beschriebenen Handlungen nichts abgewinnen können. Auf diese Weise entgehen ihnen möglicherweise in die Szene eingeflochtene Informationen, die später von Bedeutung sind. Lassen Sie sich aus diesem Grunde nicht hinreißen, unnötige Gewalt einzubauen, in der Hoffnung, Leser zu fesseln. Wenn Ihr Buch nicht eindeutig einem Genre zuzuordnen ist, in dem explizite Gewalt die Handlung trägt, stoßen Sie Leser vor den Kopf.
Damit ist der Drahtseilakt, den Sie mit Gewaltszenen, vollführen, beschrieben: Einerseits tragen sie zur Spannung bei, andererseits bergen sie die Gefahr, Leser abzustoßen.
Umgehen können Sie diesen schmalen Pfad nicht. Wenn Sie sich entschieden haben, Gewalt darzustellen, dürfen Sie nicht ins Allgemeine flüchten und hoffen, mit einem Satz wie In blinder Wut hackte er auf seine Gegner ein und stand am Ende als Sieger zwischen den röchelnden Leibern seiner Gegner davonzukommen. Sie müssen dem Leser vermitteln, wie es Ihrem Charakter gelungen ist, siegreich aus dem Kampf zu kommen. Dazu sind explizite Beschreibungen notwendig. Wenn Sie nicht wissen, was Ihr Held in seinem Kampf tun muss, um seine Gegner zu besiegen, sollten Sie recherchieren – oder auf die Schilderung verzichten und einen anderen Weg suchen, die körperliche Auseinandersetzung glaubhaft zu vermitteln. Dabei könnten Sie sich auf den Bewusstseinszustand des Charakters konzentrieren und seine Eindrücke während des Kampfes schildern, oder die Szene als Bericht eines Zeugen, eines Beteiligten oder des Charakters selbst schreiben.
Wenn es Ihnen schwerfällt, Gewalt explizit und glaubhaft zu beschreiben oder solche Beschreibungen grundsätzlich weniger interessant für Sie sind, bleibt Ihnen eine nicht-explizite Schilderung. Bei dieser Vorgehensweise zählt weniger, was Sie beschreiben als was Sie weglassen. Seine gelegentlichen Schreie aus dem Verhörraum störten ihre Konzentration. Sie schaltete das Radio an und tippte im Rhythmus der Musik das Verhörprotokoll, aus dem klar hervorging, dass der Beschuldigte auf dem Weg in die Zelle aus ungeklärten Gründen die Treppe hinuntergestürzt war. Die Fantasie der Leser findet geeignete Erklärungen für die Schreie hinter der Tür des Verhörraums.
Ein Rezept für das Verfassen von Gewaltszenen gibt es nicht. Berücksichtigen Sie, was Ihre Leser erwarten und was Sie Ihren Lesern mitteilen wollen, dann experimentieren Sie.
One thought on “Gewaltszenen sind keine Abkürzung zur Spannung”