Anders als herkömmliche E-Books, enthalten enhanced E-Books nicht nur Text und Bilder, sondern nutzen Audio und Video, um die Inhalte zu ergänzen. Als der E-Book-Markt vor gut zehn Jahren zu wachsen begann und experimentierfreudige Self-Publisher dieses Format für sich entdeckten, dachten viele, dass der Zeitpunkt gekommen wäre, das Buch neu zu erfinden. So fantastisch das alles klang, so wenig ist bislang daraus geworden. Dafür gibt es zahlreiche Gründe.
Enhanced E-Books – technische Gründe dagegen
Auch wenn Sie nie versucht haben, ein enhanced E-Book zu erstellen, haben Sie wahrscheinlich schon einmal eine Audio-Datei oder eine Video-Datei erstellt oder verschickt. Solche Dateien sind sehr groß. Ein E-Book, das Audio oder Video enthält, wird folglich auch groß. Berechnet die E-Bookplattform wie KDP einen Preis für das Versenden des E-Books und die Käufer*innen, ist dieser oft so hoch, dass der angepasste Verkaufspreis für die meisten Käufer*innen zu hoch ist.
Außerdem nehmen viele E-Bookplattformen aus Sicherheitsgründen keine enhanced E-Books an. Einer der Gründe ist der schlechte Ruf von JavaScript, mit dem viele interessante Features erstellt werden. Während Verteidiger von JavaScript darauf hinweisen, dass Sicherheitslücken durch das Nebeneinander von alter und neuer Technik entstehen, warnt sogar das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von JavaScript. Einige Plattformen nehmen nur enhanced E-Books an, die mit Programmen der Plattform erstellt wurden.
Andere Gründe aus Sicht von Käufer*innen und Autor*innen
Inzwischen gibt es beispielsweise gedruckte Kinderbücher, die sich selbst den Kindern vorlesen. Im Vergleich zu enhanced E-Books sind sie preiswert und sie profitieren von dem Bonus, den gedruckte Bücher bei vielen Eltern und Pädagog*innen noch haben. Kleine Kinder können sie anfassen, anknabbern (nicht besonders gesund), machen also auch haptische Erfahrungen, die die schlechte Tonqualität ausgleichen.
Ein weiterer Grund für das mangelnde Interesse erwachsener Leser*innen an E-Books mit Audio und Video ist eine grundsätzlich konservative Haltung zu Büchern im weitesten Sinne. Wer lesen will, möchte Text sehen, wer hören will, kauft ein Hörbuch, wer hören und sehen will, streamt ein Video. Diese Haltung steht wahrscheinlich auch hinter dem geringen Interesse an Gebinden aus gedrucktem Buch und E-Book. KDP hat die Bundle-Funktion, die für den deutschen Markt nie freigeschaltet wurde, schon lange aufgegeben.
Für Self-Publisher und kleine Verlage stellt sich nun die Frage, ob es sich lohnt, zu diesem Zeitpunkt enhanced E-Books herzustellen und gegebenenfalls über die eigene Webseite zu verkaufen. Solange das Interesse an den Möglichkeiten solcher E-Books fehlt, ist das vermutlich ein teures Unterfangen. Wer andererseits interessante Lösungen für Sachbücher entwickelt, hat vielleicht in einigen Jahren einen Vorsprung vor anderen Anbietern.