Leser*innen wünschen sich sympathische Charaktere in Büchern. Das behaupten sie, aber ich meine, das wollen sie nicht. Daher sollten Autor*innen nicht versuchen, Charaktere, die zwanghaft sympathisch sind, zu erschaffen.
Zwanghaft sympathisch – Leserwünsche und Realität
Leser*innen erwähnen oft, dass ihnen ein Charakter sympathisch oder unsympathisch ist. Ich bin überzeugt, dass sie darunter etwas anderes verstehen als einen netten Menschen, dem man Babys und kleine Tiere anvertrauen kann.
Leser*innen wollen mitfiebern. Bestimmt hoffen sie, dass Romeo und Julia zusammen alt werden, dass Werther Lotte bekommt und Rhett Butler zu Scarlett O’Hara zurückkehrt. Das alles tritt nicht ein, trotzdem sind alle diese Geschichten bis heute erfolgreich. Warum?
Alle diese Charaktere sind nicht unbedingt sympathisch, wir möchten sie schütteln (oder ohrfeigen) und fragen, ob sie wirklich glauben, dass sie ihr Ziel auf dem eingeschlagenen Ziel erreichen können. Und ob ihr Ziel die Opfer und den Ärger wert ist.
Aber diese Charaktere haben ein Ziel. Das versuchen sie zu erreichen. Dabei begehen sie Fehler, auch tragische Fehler, auch aus unserer Sicht dumme Fehler, die wir sicher niemals begehen würden. (Ähem.) Aber auch wenn wir die Ziele und die Methoden nicht gutheißen, möchten wir wissen, ob sie das Ziel erreichen. Das führt zu dem von Leser*innen so oft erwähnten Mitfiebern.
Mitfiebern lassen statt nett sein
Wenn die Leser*innen unbedingt wissen wollen, ob der Charakter sein Ziel erreicht, seinen Verfolgern entkommt, die Krankheit überlebt, den Fall löst … dann ist es gleichgültig, ob dieser Charakter sympathisch ist. Charaktere zwanghaft sympathisch zu gestalten, nur um den Leser*innen zu gefallen, hilft nicht weiter. Runde, nachvollziehbare Charaktere ziehen die Leser*innen auch gegen ihren Willen in Bann.