Wir lesen oft, dass wir beim Schreiben an unsere Zielgruppe denken sollen oder an eine bestimmte Person, die im besten Fall zur Zielgruppe gehört. Das ist im Grundsatz sinnvoll, weil es verhindert, dass wir etwas schreiben, das die Menschen, für die wir schreiben möchten, gar nicht verstehen können. Aber die Orientierung an den potenziellen Leser*innen hat auch Nachteile, weil wir uns möglicherweise zurückhalten, wo wir frei schreiben sollten. Um diese Form der Selbstzensur zu umgehen, sollten wir versuchen zu schreiben, als ob niemand liest, was wir niederschreiben.
Als ob es niemand liest — Aber an wen soll ich denken?
Es hilft vielen Schreibenden, wenn sie beim Schreiben an eine bestimmte Person denken. Das Schreiben wird so zu einer Form des Dialogs. Aber in allen Dialogen nehmen wir Rücksicht auf Person, mit der wir sprechen. Wir wählen das Thema und dessen Darstellung in Hinblick auf die Person, wir entscheiden uns für oder gegen eine bestimmte Ausdrucksweise. Es dürfte schwerfallen, diesen Dialog ganz zu unterdrücken.
Aber an einigen Stellen im Buch, an Stellen, in denen Emotionen besonders wichtig sind, kann ein Monolog hilfreicher sein. Vor uns selbst müssen wir weniger verstecken. Uns selbst gegenüber ist eine größere Freiheit im Ausdruck möglich.
Wir können schreiben, als ob niemand liest — niemand außer uns. Dabei begeben wir uns in die Charaktere und lassen sie unsere Gefühle erleben. Dadurch können wir eine Tiefe erreichen, die wir uns nicht erlauben würden, schalteten wir den Filter einer anderen Person aus der Zielgruppe ein.
Aber passt das zur Zielgruppe?
Wie immer geht es erst einmal darum, überhaupt etwas zu schreiben. Bei der Überarbeitung müssen wir uns dann unsere Zielgruppe vor Augen führen und überlegen, ob wir so geschrieben haben, wie es zu den Menschen in dieser Gruppe passt. Dann kann es notwendig werden, die im Text festgehaltenen Emotionen und deren Beschreibung in einfacherer Sprache oder mit weniger Details zu formulieren, damit wieder ein Dialog entstehen kann.