Georg Streng war ein Mann, der Probleme kannte. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts arbeitete er als Auslandspfarrer in deutschen evangelischen Gemeinden in Frankreich. Dabei traf er vor allem auf Deutsche, die in Frankreich als Arbeiter und Dienstboten ein Auskommen suchten, das sie in der Heimat nicht gefunden hatten. Zwar verbrachte Georg Streng mehrere Jahre in Paris, doch die Stadt des Luxus und der radikal neuen Ideen dürfte für ihn in erster Linie eine Stadt gewesen sein, in der seine arbeitslosen Landsleute leicht unter die Räder gerieten.
Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, musste Georg Streng mit seiner Familie Frankreich verlassen. Wie auch in anderen Ländern üblich wurde das persönliche Vermögen der Feinde konfisziert. Wer blieb, hatte im besten Fall mit Drangsalierung und Armut zu rechnen. Wer ging, hoffte, dass die Menschen im Heimatland bereit waren, ihr Weniges zu teilen.
Georg Streng hatte Glück. Er erhielt schnell eine Pfarrstelle in Reutin bei Lindau. Es wurde eine Wohnung bereitgestellt, Gemeindemitglieder spendeten Möbel und anderen Hausrat für die Familie mit drei Kindern. Fortan kümmerte sich der Flüchtling aus der Pariser Hauptstadt um die Sorgen einer dörflichen Gemeinde im Krieg.
Seine Erfahrungen, privat wie beruflich, hätten viele verzweifeln lassen. Georg Streng hatte seinen Glauben als Stütze, und einen Kanal, wie er seine Gedanken klären und seine Erfahrungen reflektieren konnte. Er schrieb. Sein erstes Buch 1916 war eine Abhandlung über Goethes Faust und beschäftigte sich mit der Frage „Was darf der Mensch?“.
Die Literatur lebt von Menschen in schwierigen Lebenslagen. Salman Rushdie, Isabell Allende, Bertold Brecht – das sind nur drei von tausenden Namen, die für ein Phänomen stehen: Menschen in Not schreiben. Schreiben klärt die Gedanken. Schreiben hilft in Worte zu fassen, was Menschen fühlen, was sie beschäftigt. Dieses in Worte fassen ist der erste Schritt zu einem Austausch mit anderen in ähnlichen Situationen und mit vergleichbaren Erfahrungen. Damit ist Schreiben über die bedrückenden Erfahrungen ein wichtiges Werkzeug zur Verarbeitung dieser Erfahrungen und eröffnet Wege zur Lösung von Konflikten.
Am 31. August 2014 erscheint eine Neubearbeitung von Georg Strengs Goethe’s Faust als ein Versuch zur Lösung des Lebensproblems in den Hauptlinien betrachtet und beurteilt.