Autoren hören immer den Rat, viel zu Lesen. Die Texte anderer Autoren zeigen uns, wie sie bestimmte Probleme angegangen sind und wie, oder ob, sie diese Problem gelöst haben. Wer unterschiedliche Autoren und Genres kennt, sammelt einen, meist unbewussten, Schatz an Wissen über das Schreiben an. Treten beim Schreiben eigener Texte Probleme auf, können Autoren auf diesen Wissensschatz zurückgreifen. Interessant ist in diesem Zusammenhang dieser Artikel über das Lernen an Lösungsbeispielen.
Man könnte jetzt behaupten, dieser Rückgriff auf die Lösungen anderer Autoren sei Imitation und deshalb nicht kreativ.
Imitation ist das Kopieren eines Lösungswegs. Möchte ich beschreiben, wie sich die Protagonistin fühlt, wenn sie dem Monster in die Kanalisation folgt, kann ich abschreiben, was andere bereits geschrieben haben. Doch selten genug gibt es eine exakte Vorlage. Bereits kleine Abweichungen (Monster/Mörder, Kanalisation, Höhlensystem, Kommissarin/Archäologin) zwingen mich zu Variationen. Diese Variationen sind mein Werk. Aus diesem Grunde ist eine beliebte Übung, Schüler einen Text aus einer anderen Perspektive schreiben zu lassen. Die Vorlage stützt auf der Seite der Ideen und befreit die Fantasie für das Ausschmücken der notwendigen Variationen.
Damit Autoren leichter auf ihren Schatz an Problemlösungen für Texte zugreifen können, müssen sie lernen, bewusst zu lesen. Autoren konsumieren die Texte ihrer Kollegen und Vorbilder nicht wie „normale“ Leser. Sie lesen auch nicht wie Literaturkritiker. Autoren lesen mit einem kritischen Auge auf Stil und Form, beachten ungewöhnliche, praktische oder verunglückte Formulierungen und stellen immer einen Bezug zur eigenen Arbeit her, gleichgültig wie sehr sich die Texte unterscheiden.