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Worte, die uns klein machen

Wenn ich auf Twitter die Profilbeschreibungen lese, stoße ich bei schreibenden Menschen oft auf die Bezeichnungen Schreiberling und Hobbyautor. Anfangs habe ich das einfach überlesen, aber nach über vier Jahren drängen sich mir diese und andere Selbstbeschreibungen zunehmend auf. In einigen Fällen ist es möglicherweise eine Form der Selbstironie. Ich vermute jedoch, dass diese Selbstbeschreibungen Ausdruck eines tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplexes sind.

Über die Selbstbeschreibung Hobbyautor habe ich kürzlich schon geschrieben. Das Wort Schreiberling ist jedoch im Kontext der Diskussion über die Verwendung von Geflüchtete statt Flüchtlinge eine eigene Betrachtung wert.

Die Endsilbe, auch Suffix genannt, -ling kann an Substantive (Nomen), Verben, Adjektive und sogar Präpositionen angehängt werden. Im Falle von Schreiberling hängt sie an dem Substantiv Schreiber, das seinerseits aus dem Verb schreiben abgeleitet ist. Auf Canoo.net finden Sie eine Übersicht der Wortbildungen. Sie zeigt auch, wie sich die Bedeutung vom Ausgangswort zum abgeleiteten Wort verändert. Dabei fällt auf, dass bei Ableitungen aus Substantiven (Nomen) die Bedeutung oft negativ ist. Das Wort Schreiberling ist dort als Beispiel aufgeführt.

Warum wählen Menschen in sozialen Netzwerken eine Selbstbeschreibung, die eine negative Ableitung von einem Grundwort ist? Wie gesagt, anfangs dachte ich an Selbstironie, und Wictionary weist neben der negativen (pejorativen) auch auf die verniedlichende (diminutive) und ironische Bedeutung hin.

Auch die Selbstironie ist eine Form der Distanzierung. Autor oder Schriftsteller sind große Worte, die in der deutschen Kultur einen hohen Stellenwert haben. Wer glaubt, aufgrund von Jugend oder mangelnder Erfahrung diese Worte nicht beanspruchen zu dürfen, benötigt eine andere Selbstbeschreibung. Wenn ich mich selbst nicht als Autor oder Schriftsteller bezeichnen möchte, könnte ich mich Erfinder von Geschichten nennen. (Diese Selbstbeschreibung habe ich auch mehrfach gefunden.) Wenn ich mich mit einer Silbe schmücke, die mich im besten Fall klein macht und im schlimmsten Fall als etwas Negatives erscheinen lässt, sagt das etwas darüber aus, wie ich niedrig ich mein eigenes Schreiben einordne.

 

2 thoughts on “Worte, die uns klein machen”

  1. Genau! Titus Müller hat vor vielen Jahren einmal gesagt, dass er seine Karriere als Autor strategisch angelegt hat – mit Internetpräsenz usw. Gerade, weil er signalisieren wollte: Ich bin Schriftsteller, noch nicht bekannt und veröffentlicht, aber das bin ich.
    Auch Jeff Goins predigt es immer wieder. Danke für den Beitrag.

    1. In einem Kommentar zu diesem POst auf Facebook vergleicht eine Leserin die Situation mit dem „normalen“ Berufsleben, wo zwei Berufe inzwischen nicht mehr unüblich sind. Wer seinem Arbeitgeber A zu verstehen gibt, dass Tätigkeit A nur ein Hobby ist, Tätigkeit B dagegen der eigentliche Beruf, wird sein Hobby schnell verlieren.

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