Sie finden die Beiträge über die ersten Schreibversuche auch im Menü unter Gastbeiträge. Dort können Sie auch die Beiträge der Sommeraktionen der vergangenen Jahre entdecken. Spannend sind ebenfalls die Autoreninterviews im Menüpunkt Interviews.
Ich bin ein alter Sack.
Was ja so viel bedeutet, wie: Ich stamme aus der Generation, in der man noch schrieb. Briefe, zum Beispiel. Glückwünsche zum Geburtstag, die über das „Happy B-day Bro“ hinausgingen. Tagebuch. Lauter so Zeugs, bei dessen Erwähnung einen die Jungen mitleidig angucken und sich besorgt erkundigen, ob die Farbfotografie schon erfunden war, und das Telefon.
Und dann, eines Tages –
„Fahr doch mal nach Quedlinburg. Ist hübsch, da!“ Derlei Anregungen nehme ich immer gern auf. Also fahren wir dorthin. Um die Stadt herum gibt es einen Ring, an dem sich trefflich parken lässt. Ich klettere aus der Karre, und sehe mich um. Bürgerlich hier. Maschendrahtzaun. Und an diesem ein Schild. ‚Peik Müller‘. Darunter Angaben über den Kontakt. Offenbar ein Klempner. ‚Peik‘? Wirklich?
Also –
Wenn einer Michael heißt, Georg oder auch Kevin, dann hält sich Überraschung in Grenzen. Aber ‚Peik‘? Und ich dachte, so heißt bestimmt niemand, außer mir. Meine Mutter ist schuld. Das Buch von Barbra Ring erscheint 1947 erstmals in Deutschland, und wurde sogar wieder aufgelegt. Ich persönlich führe es auf Hormon- und damit Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft zurück. Ich komme auf die Welt, 1957, und plötzlich sagten alle ‚Peik‘ zu mir.
Na gut.
Das geschieht in Stade, im Westen. Aber dieser Peik hier ist doch offenbar im Osten geboren, oder? Ich schreibe ihm. Seine Frau antwortet mir. Ein atemberaubender Brief. Peik war leider tot. Ertrunken beim Segeln vor Rostock. Jahrgang 1957, und den Namen hat ihm seine Mutter nach einem Buch gegeben. Sie gibt mir Einblick in ihr Leben mit ihm, charakterisiert ihn. Der Mensch, den sie mir beschreibt, sein Leben, seine Persönlichkeit, sein Auftreten – meine Augen hasten von Wort zu Wort. So schnell es geht. Und wieder zurück, ungläubig. Und wieder weiter.
Sie beschreibt mich.
Ich bin traurig. Ich habe einen Freund gefunden. Und in diesem Moment verloren. Mein anderes Ich. Sabine, seine Frau, berührt mich tief mit seiner Geschichte. Wie ist das möglich? Wir kann es sein, dass zwei Menschen, die so unterschiedlich aufgewachsen sind, sich so ähneln? Eine Seele, verteilt auf zwei Körper? Kann das Zufall sein? Völlig bedeutungslos? Interpretiere ich irgendeine Wunschvorstellung dort hinein? Eine unerfüllte Sehnsucht?
Ich denke nach.
Und ich beginne, aufzuschreiben, was mich bewegt. Meine Schlussfolgerung lautet: Es liegt an dem gemeinsamen Namen. Ein ‚Peik‘ in den 50ern ist etwas Besonderes. Ungewöhnlich. Er ragt irgendwie aus der Menge der Michaels und Jürgens und Peters und Christians und Joachims hervor. Er schafft Aufmerksamkeit, und er stiftet Verwirrung. Ist das denn jetzt ein Name für Jungen oder für Mädchen? Ein Wolfgang, ein Matthias, ein Rainer – alles Namen von männlicher Wucht. Aber ein Peik? Was bist du? Wer bist du? Nein, du darfst nicht mitspielen, weil du anders heißt und deswegen anders bist.
Ich bin anders.
Ein Außenseiter. Ich bin der Antagonist. Der, den man skeptisch betrachtet. Dem man nichts zutraut, oder alles. Mit etwas Glück ( oder Pech ) hätte ich das Zeug zum Serienkiller. Zum Hasardeur. Zu irgendjemandem mit etwas, das auf ‚-pathie‘ endet. Und was macht man mit derlei Begabungen? Man schreibt. Oder? Fällt euch was Besseres ein? Also, ich jedenfalls hab es getan. Nein, nichts Dolles. Ich habe es „Strandkorbschmöker“ getauft. Stammt aus meiner Jugend in Cuxhaven. Mama und ich gingen Sommers zum Strand und hatten was zum Lesen dabei. Ich ein Taschenbuch von Otto Maier Ravensburg ( die kosteten damals DM 2,50! ), Mama einen RoRoRo-Schinken von Georgette Heyer. So was wollte ich schreiben. Und ein wenig Lebensgeschichte aufarbeiten.
Seither schreibe ich.
Wer Lust aufs Lesen hat, darf mich gern besuchen. Google hat mich. Aber auch www.peik-volmer.com.