Ich saß neben einem Teilnehmer und ging mit ihm seine Übung durch. Wir hatten das Präteritum kennengelernt, die regelmäßigen und unregelmäßigen Formen. Die Lehrwerke, mit denen ich sonst arbeite, führen erst die regelmäßigen Formen (leben – lebte) ein und die unregelmäßigen Formen (gehen – ging) in einer anderen Lektion oder wenigstens in einer anderen Übung. Dieses Lehrwerk präsentierte alle neuen Verbformen in einem inhaltlich anspruchsvollen Text. Der Teilnehmer sah auf meine Korrekturen und dann auf mich. „Warum ist das alles so schwer?“ Mit alles meinte er nur die deutsche Sprache, obwohl der Rest seines Lebens auch nicht gerade leicht war. Was macht Deutsch so schwer?
Es gibt Teilnehmer, die schneller, effizienter und effektiver lernen. Bisher hat aber niemand behauptet, Deutsch zu lernen sei leicht.
Deutsch hat so viele positive Seiten. Das konjugierte Verb steht normalerweise in Position zwei im Satz. Das gilt auch bei zweiteiligen Verbformen wie dem Perfekt.
Die Frau (1) trinkt (2) Kaffee.
Die Frau (1) hat (2) Kaffee getrunken (Ende).
Die Fragewörter fangen alle mit dem Buchstaben W an:
Wer? Wo? Woher? Wohin? Was? Wann? Wie?
Aber da sind die Artikel. Die unterscheiden sich nach dem Genus und das entspricht oft nicht dem biologischen Geschlecht (der Mann – der Baum, die Frau – die Lampe, das Auto – das Mädchen). Es gibt unbestimmte Artikel (ein, eine, ein, kein Wort für den Plural), bestimmte Artikel (der, die, das, die), negative Artikel (kein, keine, kein, keine) und Possessivartikel (mein, meine, mein, meine). Die Adjektive haben keine Endung, wenn sie auf das Verb sein folgen (Das Gras ist grün.), aber eine Endung nach dem Artikel in Abhängigkeit vom Kasus (das grüne Gras, auf dem grünen Gras, die grüne Lampe, neben der grünen Lampe). Und dann sind da noch die Präpositionen, die einen bestimmten Kasus verlangen. Das können verschiedene Kasus sein, auch wenn die Sätze das gleiche (oder fast das gleiche) meinen:
Ich gehe zur Schule. (Dativ) – Ich gehe in die Schule. (Akkusativ)
Einige Präpositionen verlangen nach Dativ oder Akkusativ, je nachdem welche Information folgt:
Ich gehe in die Schule. (wohin? → Akkusativ)
Ich lerne in der Schule. (wo? → Dativ)
Nomen sind lang, länger als in vielen anderen Sprachen. Es gibt wenige Homophone (Wörter, die gleich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben.), aber viele Synonyme (Wörter, die verschieden geschrieben und gesprochen werden, aber die gleiche Bedeutung haben). Manche Konjunktionen sind zweiteilig (nicht nur, sondern auch).
Verben, diese wichtigen Wörter im Satz, sind manchmal „normal“, manchmal trennbar und manchmal untrennbar. Das gleiche Verb kann je nach Vorsilbe eine andere Bedeutung annehmen.
kommen: Er kommt in den Raum. („normal“)
ankommen: Der Zug kommt um zehn Uhr an. (trennbar)
bekommen: Er bekommt ein Geschenk. (untrennbar)
Es gibt fleißige und vielleicht auch begabte Menschen, die diese wunderschöne und komplexe Sprache innerhalb eines Jahres lernen, manchmal sogar im Selbststudium. Aber die meisten tun sich schwer mit Deutsch (Muttersprachler eingeschlossen). Warum? Ein Teilnehmer sagte in der Prüfungsvorbereitung: „Deutsch ist die Sprache der Dichter und Philosophen.“ Ich riet ihm davon ab, den Satz in der Prüfung zu sagen, vor allem, wenn er alle folgenden Sätze mit nur geringer Beherrschung der Grammatik herausbringen kann. Sicherlich muss man Lust auf die und an der Komplexität der Sprache haben, um sie gerne und gut lernen zu können (Wieder Muttersprachler eingeschlossen).