Bei Lesungen kommt fast immer die Frage aus dem Publikum, ob das Buch autobiografisch ist. Wir erklären dann geheimnisvoll, dass es immer biografische Aspekte gibt, die wir aber so verarbeiten, dass sie nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Ereignis zu tun haben. Doch in der Vermutung des Publikums steckt ein Hinweis auf ein Problem: Was steckt in meinen Charakteren? Zu viel von mir? Zu wenig Fantasie?
Zu viel von mir – Wie kann ich das verhindern?
Unsere Erfahrungen und unsere Wertvorstellungen können wir selten ganz aus einem Text heraushalten, jedenfalls nicht aus der ersten Fassung. Wenn wir über Charaktere schreiben, die nichts mit uns gemein haben sollen, müssen wir sorgfältig planen.
Dabei sollten wir wie immer kritisch gegenüber Adjektiven sein. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir einen Charakter als stolz, intelligent oder handwerklich geschickt etikettieren. Die Adjektive können gerne in den Köpfen der Leser*innen aufblitzen, aber nur, weil wir im Text gezeigt haben, welche Eigenschaften dieser Charakter hat und wie er handelt.
Es ist daher ratsam, ein Profil für jeden Charakter zu erstellen und darin wichtige Informationen über die Vorgeschichte, Werte, Haltungen, Aussehen festzuhalten.
Den Charakter sich selbst finden lassen
Wir können uns auch überlegen, wie dieser Charakter in alltäglichen Situationen handelt. Wir kennen uns selbst in solchen Situationen und können so das alltägliche Verhalten des Charakters gezielt von unserem abgrenzen. In jeder Szene des Buches sollten wir dann fragen, wie dieser Charakter auf der Basis seines Profils handeln würde – und ihn dann auch so handeln lassen.
Dabei sollten wir beachten, dass wir davon träumen oder träumten, uns selbst zu finden. Diese Gelegenheit sollten wir auch unseren Charakteren geben. Wir müssen über sie schreiben und sehen, wie sich die Handlung und die Charaktere mit ihr entwickeln. Nur so können wir wirklich feststellen, wie viel von uns noch in den Charakteren steckt und wie viel Eigenständigkeit sie erworben haben. In den Überarbeitungen des Manuskripts können wir dann unsere Eigenschaften weiter aus den Charakteren entfernen.