Intuitives Schreiben ist das, was in der von englischen Schlagwörtern dominierten Welt als Pantsing bezeichnet wird. Gerne wird Autor*innen, die diese Arbeitsmethode wählen, mangelnde Organisation und Disziplin vorgeworfen. Diese Merkmale unterstellt die Welt wiederum denen, die einen Roman mindestens in groben Zügen, wenn nicht sogar Szene für Szene planen. Dabei sind Organisation und Disziplin gar nicht die entscheidenden Unterschiede bei diesen Herangehensweisen.
Intuitives Schreiben — Was sind die Kennzeichen?
Plotten bedeutet eigentlich zeichnen, planen, graphisch darstellen oder auch eine Verschwörung anzetteln. Früher plottete man am Schreibtisch nur Diagramme oder Flurzeichnungen, heute auch Romane. Übertragen auf das Schreiben bedeutet Plotten das Entwickeln von Charakteren und das Planen eines Handlungsverlaufs mit Handlungssträngen und Spannungsbögen, bis hin zu einzelnen Szenen und bestimmten Worten oder Bildern in den Szenen. Das eigentliche Schreiben erfolgt entlang der Vorgaben aus der Planung. Gelegentlich klingen Beschreibungen des Plottens so, als wäre das Schreiben ein notwendiges Übel nach der geistigen Arbeit der Planung.
Intuitives Schreiben verzichtet manchmal auf jegliche Planung, doch das ist nicht immer der Fall. Was fehlt, ist das Erstellen eines Gerüsts, hinter dem die Handlung aufgebaut wird. Wer intuitiv schreibt, hat durchaus Zielpunkte, aber die sind oft nur ein Geländer, an dem die Handlung rankt, das sie aber auch verlässt und zu dem sie vielleicht in Bögen zurückkehrt. Diese Zielpunkte können vor oder während des Schreibens festgehalten werden, oft geschieht das nicht. Manche Handlungen entwickeln sich ausschließlich unbewusst und überraschen die Autorin oder den Autor beim Nachlesen des Geschriebenen.
Ein Kennzeichen des Schreibens nach Intuition sind die Ideen oder Bilder als Ausgangspunkte. Sie bilden meistens das Zentrum oder mehrere Unterzentren der Handlung. Aufgrund ihrer Komplexität wäre es zu aufwändig, sie aufzuschreiben und zu analysieren. Tatsächlich besteht ein Teil des Schreibens darin, herauszufinden, was die Bilder bedeuten. Das Schreiben ist hier ein Prozess des Findens, und zwar sowohl der Handlung als auch ihrer Bedeutung. Gleichwohl sind Konzentration und Disziplin notwendig, alle Ideen und damit verbundenen Konzepte im Kopf zu behalten.
Gibt es eine richtige und eine falsche Methode?
Merkwürdigerweise werden Autor*innen gerne dogmatisch, wenn es um die geeignete Methode für das Schreiben geht. Vielleicht liegt das an der großen Anzahl von Schreibratgebern, die das Plotten als den allein zum Erfolg führenden Weg darstellen. In solchen Ratgebern schwingt immer der Vorwurf mit, dass die unorganisiert Schreibenden keine richtigen Autor*innen sind, weil sie so unorganisiert vorgehen.
Dabei sind Menschen, und deshalb auch Autor*innen, verschieden und bevorzugen daher in vielen Lebensbereichen unterschiedliche Herangehensweisen. Das Schreiben sollte da keine Ausnahme sein. Wer ohne Gerüst ins Chaos trudelt, sollte versuchen zu plotten. Wer sich durch das Gerüst eingeschränkt fühlt, sollte eine freiere Methode ausprobieren. Ich persönlich sehe ein Spektrum an unterschiedlich detaillierten Arbeitsweisen, von völlig frei bis durchgeplant. Innerhalb dieser Extreme wählen wir unsere persönliche Methode. Wichtig ist, dass wir schreiben, denn nur schreibend entdecken wir, was für uns richtig ist.