Wer viel rennt, braucht auch Verschnaufpausen. Andernfalls würde der Körper nicht mitmachen. Die Folge wäre ein Zusammenbruch, und was oder wer auch immer auf den Fersen ist, würde triumphierend zuschlagen. Auch Lesende brauchen Pausen, sonst leidet ihre Konzentration. Statische Szenen können ihnen einen Moment der Ruhe anbieten, ehe die Jagd nach dem nächsten Höhepunkt weitergeht.
Statische Szenen — ihre Vorteile und ihre Gefahren
Statische Szenen sind Szenen, in den fast nichts passiert. Es gibt viel Beschreibung, viel Beobachtung, vielleicht sogar viel Nachdenken. Sie sind eine Unterbrechung der Handlung, aber immer Teil der Handlung. Zeit zum Verschnaufen.
Dabei besteht das Risiko, dass die Leser*innen wirklich glauben, dass alles vorbei ist und nichts Wichtiges mehr passiert. Möglicherweise unterstellen sie einen Bruch im Pakt zwischen Autor*in und Leser*in, der Spannung bis zur letzten Seite verheißt. In diesem Fall wäre es sogar gerechtfertigt, das Buch aus der Hand zu legen und es nicht mehr aufzunehmen.
Das ist der wichtigste Grund, warum ruhige Szenen mit stark reduzierter Handlung gestrichen oder umgeschrieben werden. Dabei ist das nicht zwangsläufig notwendig.
Was geschieht in statischen Szenen (im Buch und im Kopf)?
Leser*innen sind nach mehreren spannenden Szenen angespannt. Ihre Konzentration lässt nach, im schlimmsten Fall legen sie das Buch aus der Hand, stehen auf, um sich einen Kaffee zu holen und kehren nicht zurück, weil sie noch zu aufgewühlt sind, um weiterzulesen. Eine ruhige Szene unterbricht die Spannung. Möglicherweise wiegt sie die Leser*innen in Sicherheit, gaukelt ihnen vor, dass das Schlimmste für die Charaktere vorüber ist. Nach der statischen Szene merken sie dann, dass das ein Irrtum war und dass die Spannung sich noch steigern lässt.
Ruhige Szenen sind für Leser*innen akzeptabel, wenn sie im Rahmen des Pakts zwischen Autor*in und Leser*in auftreten:
- Statische Szenen müssen an der „richtigen“ Stelle erscheinen und eine trügerische Ruhe vor der erneut steigenden Spannung zeigen.
- Leser*innen müssen gelernt haben, dass sie darauf vertrauen können, dass die Spannung mit aller Macht zurückkehren wird.
- Das gesamte Buch braucht einen Rhythmus, der den Wechsel zwischen Ruhe und Handlung, zwischen Beschreibung/Reflexion und Aktion natürlich erscheinen lässt.
- Selbst in Szenen scheinbar ohne Handlung sind Informationen, die für die Leser*innen wichtig sind.
Diese vier Punkte zeigen, dass es notwendig ist, jede Szene auf den stillschweigenden Vertrag zu überprüfen und bei Bedarf zu überarbeiten — oder zu streichen.