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Das Ich beim Schreiben überwinden

Ich beim Schreiben

Eine Person mischt sich immer wieder in unser Schreiben ein. Sie macht das mehr oder weniger geschickt, aber meistens gut genug, dass wir es nicht merken. Damit das nicht weiter passiert, müssen wir lernen, unsere Texte kritisch zu lesen — und wir müssen bewusst so schreiben, dass sich diese Person nicht mehr einmischen kann. Dazu gehört Distanz, denn es ist unser Ich, das sich einmischt, wenn wir über unsere Charaktere schreiben. Das eigene Ich beim Schreiben zu überwinden, ist eine große Herausforderung.

Das Ich beim Schreiben und in unserem Schreiben

Wenn wir noch nicht viel oder lange geschrieben haben, kehren wir automatisch zu uns und unseren Erfahrungen zurück. Die sind es schließlich, die uns die Welt verstehen lassen, und sie sind es, die uns an der Welt verzweifeln lassen. Für andere Leser*innen sind diese Texte oft wenig unterhaltsam. Sie erkennen zwar nicht immer uns als Personen in den Sätzen, aber sie nehmen einen Filter wahr, der sich zwischen sie und die Charaktere und deren Welt schiebt. Dieser Filter kann unsere religiöse oder politische Einstellung sein, unsere Vorstellungen von Gut und Böse, unsere Traumata oder das, was wir als Erlösung erlebt haben. Unser Text muss nicht zwangsläufig schlecht sein, doch der Filter nimmt den Charakteren und ihrer Welt die Schärfe und vor allem die Intensität der Gefühle.

Vielleicht merken wir beim Lesen unserer Texte selbst, dass etwas fehlt. Aber meistens sind wir nicht in der Lage zu erkennen, dass unser Ich den Test durchdringt und zugleich überdeckt.

Unsere Erfahrungen und die Welt der Charaktere

Die Neigung des Ich, sich in unsere Texte zu drängen, macht es notwendig, jeden Satz von fremden Augen lesen und überprüfen zu lassen. Testleser*innen und Lektor*innen können uns aber nur helfen, wenn wir selbst erkennen, wo unser Ich Spuren im Text hinterlassen hat und was seine Einmischung bewirkt.

Wenn uns diese Neigung, eigene Erfahrungen unverdünnt in die Welt des Buchs fließen zu lassen, bewusst wird, können wir aktiv dagegen vorgehen. Dazu können wir mit Absicht über Personen und Situationen schreiben, die mit uns kaum etwas zu tun haben. Vor allem können wir beim Überarbeiten nach Spuren unseres Ich suchen und die betroffenen Stellen entweder radikal streichen oder rigoros neu schreiben.

Selbstverständlich brauchen wir unsere eigenen Erfahrungen, um einen Roman zu schreiben. Da unsere Charaktere und wir jedoch nicht eins sind (und niemals sein sollten), müssen wir lernen, unsere Erfahrungen zu abstrahieren und den Charakteren und deren Vorgeschichte und deren Erlebnissen anzupassen.

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