Manchmal sind wir beim Schreiben hin- und hergerissen. Wir wollen etwas mitteilen, etwas, das uns wichtig ist. Und dann entwickelt sich die Handlung, während wir schreiben, in eine andere Richtung. Wie können wir mit solchen — möglichen — Fehlentwicklungen umgehen?
Die Handlung und das Thema
Im Idealfall wissen wir von Anfang an, was wir den Leser*innen mitteilen wollen. Tatsächlich entdecken wir oft erst beim Lesen der ersten Version, was das eigentliche Thema unseres Texts ist. Dass wir es kennen, ist wichtig, damit wir das Buch Verlagen anbieten und unseren potenziellen Leser*innen vorstellen können.
Wir müssen aber während des Schreibens so viel Vertrauen in unsere Fähigkeiten haben, dass wir uns erlauben, die Handlung laufen zu lassen. Nur so kann sie sich frei entwickeln und uns Material für eine zielgerichtete Überarbeitung geben. Es ist also keine Zeitverschwendung, erst einmal draufloszuschreiben und dann zu sehen, wo wir mit unserem Text angekommen sind.
Das freie Schreiben erlaubt uns auch, tiefer in die Handlung einzutauchen, ihr wie die Charaktere zu folgen und mitzuerleben, was die Charaktere erleben. In der späteren Überarbeitung profitieren wir von dieser tiefen Erfahrung der Ereignisse.
Die Ablenkung und die kleinen Hinweise
Diese Freiheit des Drauflosschreibens birgt die Gefahr, dass wir für die Leser*innen Pfade der Ablenkung produzieren. Wir führen sie überall hin, nur nicht an den Ort und an die Schlüsse, die sie erreichen, bzw. ziehen sollen. In der Überarbeitung geht es deshalb auch darum, den Wildwuchs der Handlung zu zähmen und kleine Hinweise einzustreuen, denen die Leser*innen wie Hänsel und Gretel den Steinchen zur großen Erkenntnis folgen können.
Im Märchen pickten die Vögel die weichen Brotkrumen auf — Für unsere Überarbeitung bedeutet das, dass unsere Hinweise so klar sind, dass sie nicht überlesen werden. Es ist ein ewiges Abwägen zwischen zu viel Steuerung durch zu offen präsentierte Hinweise und zu wenig Steuerung durch zu gut versteckte Hinweise.
