Die Macht der Verben

Macht der Verben In einem großen und modernen Wohnzimmer befindet sich eine Familie. Es sind vier Personen: ein Vater, zwei etwa zehn Jahre alte Jungen und eine Mutter. Alle vier springen in die Luft.

Die Macht der Verben ist immens. Sie wecken in uns Bilder und helfen beim Nuancieren. Deshalb sollten wir niemals Angst vor ihnen haben, aber immer Respekt. Mit den richtigen Verben brauchen wir beim Schreiben viel weniger Adjektive und Adverbien, unsere Charaktere wirken auf Lesende aktiver.

Wörter mit Selbstbewusstsein

Verben sind arrogant. Sie bestimmen so viel in Sätzen, ihre Position ist so aussagekräftig und manchmal so schwierig zu bestimmen. Sie sind aber keine Bullys wie die Präpositionen, diese fiesen kleinen Wörter, die ganze Wortgruppen mit ihren Launen beeinflussen. Verben sind mehr für das große Ganze.

Die Position des Verbs zeigt Lesenden, ob es sich um eine Aussage oder um eine Frage handelt. (Sie schreibt ihrer Mutter. Schreibt sie ihrer Mutter oder ihrem Liebhaber? Schreib deiner Mutter eine Entschuldigung!)

Das Verb informiert über die zeitliche Einordnung. (Sie schrieb ihrer Mutter. Sie wird ihrer Mutter schreiben, wenn sie Lust dazu hat.)

Mit einem Modalverb oder in einem Nebensatz variiert die Bedeutung des Verbs. (Sie soll ihrer Mutter schreiben, aber sie geht auf eine Party. Wir hoffen, dass sie ihrer Mutter schreibt.)

Außerdem gibt es sehr viele Verben mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung. Gezielt ausgewählt, eröffnen sie den Lesenden Einblicke in ganz unterschiedliche Situationen. (Sie schrieb einen Brief. Sie kritzelte eine Nachricht. Sie tippte eine E-Mail.)

Die Macht der Verben und die Disziplin der Schreibenden

Diese Vielzahl an Verben mit ähnlicher oder gleicher Bedeutung verlangt aber von Schreibenden, dass sie sich genau überlegen, was sie ausdrücken wollen. Der Thesaurus, das Wörterbuch für Wörter mit ähnlicher Bedeutung, kann eine Fundgrube und gleichzeitig eine Falle sein.

Wenn das Buch, die Künstliche Intelligenz oder das Rechtschreibprogramm alternative Formulierungen vorschlagen, ist Disziplin gefordert. Die gesammelten Wörter sind ähnlich, aber nie hundert Prozent gleich. Deshalb müssen einige Fragen berücksichtigt werden:

  • Verstehe ich das Verb?
  • Sagt das Verb das aus, was ich ausdrücken will? In „Sie arbeitete eine Notiz für die Putzfrau aus“ ist das Verb beispielsweise zu formal für die Situation.
  • Verstehen die Menschen, für die ich schreibe, das Verb? Ist es zu selten, zu alt, aus einer anderen Sprache?
  • Wie wirkt es auf die Lesenden, wenn ich dieses Verb verwende? Gibt es Lesende, die „Sie textete, dass sie später kommen würde“ nicht sofort verstehen, weil sie texten mit der Marketingbranche in Verbindung bringen?
  • Passt das Verb zu dem Charakter?

Wahrscheinlich gibt es noch weitere Fragen, die sich erst beim Schreiben und Überarbeiten stellen. Die kleine Auswahl zeigt jedoch, dass Verben mit Respekt behandelt werden wollen und sollten, weil sie sonst einen Text zerstören können. Sie sind sich eben ihrer Macht bewusst.

 

 

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