
Belohnungen für Lesende fallen manchmal anders aus als Schreibende erwarten. Schreibende denken zuerst an bestimmte Dinge, die sie geben können: eine spannende Geschichte, interessante Charaktere, ein Abtauchen in eine andere Welt, vielleicht auch eine mitreißende Sprache. Dabei vergessen sie etwas sehr Menschliches, das sie auch geben können, zusammen mit all dem anderen, das sie in ihrem Köcher haben.
Lesende sind Menschen und wollen etwas Bestimmtes
Wer liest, besonders wer viel liest, wird sagen, dass sie oder er besonders die Sprache in einem bestimmten Buch liebt, oder die Charaktere mag, oder die Handlung spannend findet, oder sich gerne in die Welt des Buches versenkt. Das hören Schreibende natürlich gerne, denn es sind Aspekte eines Buchs, an denen sie lange und sorgfältig arbeiten.
Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn wer gerne liest, ist vor allem ein Mensch. Und Menschen möchten sich gerne bestätigt wissen. Sie möchten erleben, dass sie Zusammenhänge schneller als andere durchschauen. Vor allem, wenn sie schneller als die Charaktere sind. Sie möchten die Lösung eines Problems finden, natürlich vor den Charakteren. Von allen Belohnungen ist die Bestätigung, schlau zu sein, die größte.
Wer das abwegig findet, sollte daran denken, dass Menschen überall in der Welt und zu allen Zeiten Rätsel und Spiele liebten und lieben. Dabei geht es immer daran, etwas zu entdecken, zu erforschen, gedanklich zu überwinden. Wer liest, möchte erfolgreich Rätsel lösen. Das ist ein Grund, warum Krimis so beliebt sind: Die Frage nach dem Täter oder der Täterin ist auch eine Aufgabe für die Lesenden, die sich begeistert mit der Polizei auf die Suche begeben.
Wie gebe ich diese Belohnungen?
Während Autor*innen von Krimis jetzt aufatmen, beginnen Schreibende von Liebesromanen vielleicht zu zittern. Doch auch Liebesromane sind voller Rätsel, so wie jedes andere Buch. Schreibende tun gut daran, die Probleme und Wahlmöglichkeiten ihrer Charaktere zu durchdenken und Schritt für Schritt weiterzudenken.
Probleme brauchen eine Lösung. Das ist die Erwartung der Lesenden, und sie sind bereit, nach Lösungen zu suchen. Schreibende können ihnen Lösungen vorschlagen und zeigen, wie sie nicht funktionieren. Sie können Alternativen präsentieren, die gleich gut oder gleich schlecht erscheinen. Die Charaktere stehen vor einem Dilemma und die Lesenden müssen weitersuchen. Sie haben Erwartungen an jede Lösungsmöglichkeit und freuen sich, wenn sie bestätigt werden. Das ist ein Spiel mit den Lesenden. Solange sie es genießen, sind sie nicht böse darum.