Am Anfang jedes Weges macht man den ersten Schritt. Das klingt selbstverstständlich und ist es auch. Aber zu oft lassen wir den ersten Schritt und bleiben lieber auf dem Sofa sitzen.
Einfach etwas Neues tun? – Äh, na ja …
Wir alle träumen. Wir alle haben Bilder von uns im Kopf, Bilder, auf denen wir erfolgreich, berühmt, wunderschön und reich sind. Wir sehen uns Abenteuer erleben, etwas Einmaliges erschaffen.
Dann sehen wir in den Spiegel und sagen resigniert oder realistisch: „Das kann ich nicht. Das klappt nicht.“
Waren wir wirklich realistisch, als wir uns davon überzeugen wollten, wie unvernünftig unsere Träume sind? Oder waren wir … feige?
Einen Satz höre ich immer wieder: „Was sollen denn die anderen denken?“
Die anderen, das sind unsere Nachbarn, unsere Verwandten, unsere Arbeitskollegen, unsere Freunde. Oft sind es Menschen, die wir lieben, nicht selten diejenigen, die wir selbst ein wenig beneiden. Was sollen diese Leute von uns denken, wenn wir uns uncharakteristisch verhalten?
Wenn wir Rücksicht nehmen und uns gleichzeitig etwas versagen, was schon lange in uns rumort und heraus will, verstecken wir oft nur unsere Angst hinter einem verlässlichen Äußeren. Man soll uns lieben, und weil uns das große Publikum nicht bewundern wird, begnügen wir uns mit der Sympathie unserer Nächsten. Das macht uns unaufrichtig.
Wenn wir uns so verhalten, beweisen wir uns zweierlei: wir vertrauen unseren Liebsten nicht und wir vertrauen uns selbst nicht.
Wir glauben nicht, dass unsere Mitmenschen akzeptieren, wenn wir etwas ausprobieren, und wir fürchten uns, den eigenen Erwartungen nicht gerecht zu werden.
Der erste Schritt
Wenn wir wirklich etwas Neues ausprobieren wollen, sollten wir eine gewisse kindliche Naivität beweisen. Wir sollten einfach vertrauen, dass uns niemand böse ist, wenn wir abends noch eine Stunde Sport machen oder uns zurückziehen, um zu schreiben. Wir sollten einfach anfangen, ein Musikinstrument zu lernen oder ein Buch zu schreiben. Es einfach tun.
Was niemand tun sollte, der etwas Kreatives erschaffen will, ist einen festen, klar gegliederten Plan anzulegen, nach dem die einzelnen Schaffensschritte abgearbeitet werden. Es ist unsinnig, wenn wir uns etwas vorzunehmen wie: „Ich schreibe den Gewinner des deutschen Buchpreises 2013 von 10.04.2012 bis 16.05.2012, lese Korrektur bis 25.05.2012, finde bis zum 21.06.2012 einen Agenten, unterschreibe bei Randomhouse bis zum 19.07.2012 und beginne meine eigene Marketing-Kampagne am 20.07.2012, gegen 14.00 Uhr.“
Es spricht nichts dagegen, die Handlung für unser Buch zu skizzieren, die Charaktere zu beschreiben, eine Recherchemappe zu Orten, historischen Ereignissen, Kleidung, Trends oder ähnlichem, anzulegen. Meistens erweist sich so ein Vorgehen als hilfreich, denn es ordnet die Gedanken und beugt systematischen Fehlern vor. Aber das sind sachbezogene Überlegungen, die wir direkt mit dem Schreibprozess und der Handlung verbinden, eine sinnvolle Artikulierung der uns unbewussten Vorgänge während des Schreibens.
Was wir angefangen haben, entwickelt sich weiter
Das erste Buch wird wahrscheinlich nicht veröffentlicht werden, jedenfalls nicht in seiner ersten Form. Aber haben wir es geschrieben, und wenn die Geschichte lebensfähig ist, wird sie sich in unserem Kopf weiterentwickeln. Vielleicht werden wir sie später malen. Vielleicht werden wir sie als Gute-Nacht-Geschichte erzählen. Vielleicht schreiben wir sie noch einmal auf, aber ganz anders. Niemand außer uns wird wissen, dass es eine ganz alte Geschichte ist, nur gereift.
Auch ein Geschäft kann als Schreinerei beginnen und zur Restaurationswerkstatt werden, aus der Kleintierpraxis könnte in ein paar Jahren eine Tierpflegestation entstehen.
Was lebt, entwickelt sich weiter, wächst, reift, wandelt sich, stirbt irgendwann. So ist auch mit unseren Ideen. Vielleicht scheitern wir. Vielleicht meinen die anderen, wir scheitern, aber wir sehen das anders. Vielleicht ändern wir den Kurs und machen etwas, das für die anderen wiederum wie etwas Neues aussieht. Wir lernen dabei.
Aber wir müssen den ersten Schritt gehen, weg vom Sofa des Gewohnten, hinaus in die Welt unserer Ideen. Und wir sollten nicht zuviel Rücksicht auf die Meinung der anderen geben. Es ist unsere Idee, es ist unser Leben