Es gibt verschiedene „Grundgerüste“ für lange Texte wie einen Roman. Nicht jeder Roman lässt sich eindeutig einem solchen „Grundgerüst“ zuordnen, nicht jeder Autor schreibt bewusst nach so einem Muster.
Vorteile des festen Konzepts
Es bietet sich an, erste Gehversuche im Schreiben unter Zuhilfenahme eines bewährten Musters zu unternehmen. Der wichtigste Vorteil bei einer solchen Planung ist folgender:
→Man weiß von Anfang an, wohin die Reise geht.
Übersetzt heißt das:
→Entwickelt der Autor die Handlung entlang der Streben des Grundgerüsts, weiß er zu Beginn der Handlung, wohin er die Charaktere führen will.
Das klingt im ersten Moment nach einem starren System.
Keine Sorge, Charaktere entwickeln ein Eigenleben und tun Dinge, die der Autor anfangs nicht geplant hatte. Diese Eigenaktivität der Charaktere droht immer, die Handlung ausufern zu lassen. Arbeitet der Autor nach einem Konzept, ist er in der Lage, extreme Abweichungen rechtzeitig aufzuhalten.
→Leser mögen Verstrickungen in der Handlung. Sie möchten aber auch den Überblick behalten können.
Das heißt nicht, dass immer starr nach dem festgelegten Schema gearbeitet werden muss. Gefahr droht, wenn selbst der Autor nicht mehr weiß, wo in der Handlung er sich an einem gegebenen Punkt befindet. Der Leser wäre in solchen Fällen bereits überfordert.
Ist die Entscheidung für ein bestimmtes „Grundgerüst“ gefallen, können die Handlungsstränge in Stichworten oder kurzen Ausführungen festgelegt werden.
„Grundgerüste“ im Überblick
Ich möchte hier drei gängige „Grundgerüste“ vorstellen.
- das Abschnitt-Gerüst
- das 3-Akte-Gerüst
- das 4-Akte-Gerüst
1. Das Abschnitt-Gerüst
Das Grundprinzip des Abschnitt-Gerüsts ist aus Grundschulzeiten bekannt: Einleitung, Hauptteil, Schluss.
Einleitung
Die Einleitung geht meistens über das erste Kapitel hinaus. Die Ausgangssituation wird vorbereitet, wichtige Charaktere werden eingeführt und ihr Verhältnis zueinander gegebenenfalls geklärt. Alle Handlungsstränge nehmen hier ihren Anfang.
Hauptteil
Die Handlung wird fortgeführt, alle Handlungsstränge entwickeln sich auf den Höhepunkt, bzw. die Auflösung zu.
Schluss
Alle Unklarheiten werden aufgelöst, Lösungen für Probleme werden gefunden. Eventuell erfolgt ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
Das Abschnitt-Gerüst eignet sich besonders gut für kürzere Texte und wenige Handlungsstränge. Es ist sozusagen das Einsteigermodell für Autoren, lässt sich jedoch problemlos anspruchsvolleren Projekten anpassen.
2. Das 3-Akte-Gerüst
Das 3-Akte-Gerüst erinnert an klassische Schauspiele. Wer moderne Romane und Filme genauer ansieht, kann feststellen, dass dieser Aufbau nach wie vor funktioniert.
1. Akt
Der 1. Akt geht immer über das erste Kapitel hinaus. Die Ausgangssituation wird vorbereitet, wichtige Charaktere werden eingeführt und gegebenenfalls ihr Verhältnis zueinander geklärt. Die Problematik wird herausgearbeitet. Alle Handlungstränge nehmen ihren Anfang.
2. Akt
Die Handlungsstränge werden fortgeführt, jeder läuft auf eine Zuspitzung hinaus. Meistens tragen die Nebenhandlungen zur Entwicklung der Haupthandlung bei.
3. Akt
Zumindest im Haupthandlungsstrang kommt es zum Höhepunkt, zur Katastrophe oder Auflösung. Die Nebenstränge tragen ihre Charaktere direkt in die Zuspitzung der Ereignisse hinein oder die Charaktere werden indirekt von der Haupthandlung betroffen. Nach dem Höhepunkt, der Katastrophe oder der Auflösung werden Unklarheiten bereinigt und eventuell ein Ausblick gegeben.
→Leser möchten alle Rätsel und aufgeworfenen Fragen am Ende des Buches beantwortet wissen. Ein Blick auf die Rezensionen auf Social Reading Foren wie Lovely Books i das. Offene Enden, so interessant Autoren sie finden mögen, sind bei Lesern unbeliebt.
Das 3-Akte-Gerüst eignet sich gut für längere Texte mit mehreren Handlungssträngen. Der wichtigste Unterschied zum Abschnitt-Modell ist der Raum, der den Ereignissen um und nach dem Höhepunkt eingeräumt werden kann.
3. Das 4-Akte-Gerüst
Das 4-Akte-Gerüst gibt Raum für mehrere Höhepunkte auf unterschiedlichen Spannungs- und Bedeutungsniveaus.
1. Akt
Der erste Akt geht immer über das erste Kapitel hinaus. Die Ausgangssituation wird dargelegt, wichtige Charaktere werden eingeführt und die Problematik herausgearbeitet. Die wichtigsten Handlungsstränge beginnen.
2. Akt
Einige untergeordnete Nebenstränge beginnen und setzen neue Akzente für die bestehenden Stränge. Alle Handlungsstränge laufen auf eine Zuspitzung zu. Es kommt zu ersten Höhepunkten, die die Handlung im Hauptstrang ausrichten und beschleunigen. Vielleicht werden nun wichtige Wendungen eingearbeitet. Oft sind diese Höhepunkte in Nebensträngen angesiedelt, so dass ihr Einfluss auf die Haupthandlung nicht von Anfang an eingeschätzt werden kann.
3. Akt
Als Folge dieser ersten Höhepunkte wird die Handlung im Hauptstrang unter neuen Voraussetzungen weiterentwickelt, weitere kleine Höhepunkte sind möglich. Einige bedeutsame Fakten sind dem Leser, vielleicht auch einigen Charakteren bekannt. Die nachfolgende Handlung steht unter der Frage, wie dieses neue Wissen die Ereignisse beeinflusst.
4. Akt
Im Hauptstrang laufen die Fäden aller Handlungen nach und nach zusammen. Es kommt zum Höhepunkt, zur Katastrophe oder zur Auflösung. Durch die vorgelagerten Höhepunkte im 2. und 3. Akt verkürzt sich die Aufklärung, fällt vielleicht sogar ganz weg, wenn zuvor bereits alle aufgeworfenen Fragen beantwortet wurden und man nur noch auf das Eintreten der sicheren Katastrophe warten musste.
Das 4-Akte-Gerüst eignet sich für komplexe Handlungen mit vielen Strängen unterschiedlicher Länge.
Zusammenfassung
Romane benötigen je nach Länge und Handlungsdichte unterschiedliche „Gerüste“. Einfache Handlungen kommen mit dem Abschnitt-Modell aus, komplexere Handlungen benötigen ein „Gerüst“ in drei oder vier Akten.
Autoren sollten versuchen, sich vor dem Schreiben darüber klar zu werden, wie komplex ihre Handlung werden soll und welches „Gerüst“ sie benötigen. So variabel die „Gerüste“ sind, grundsätzliche Änderungen wie das Einfügen oder Entfernen von Handlungssträngen erfordern fast immer eine Neukonzeption. Das Streichen oder Ergänzen von einzelnen Szenen ist dagegen meistens problemlos durchzuführen.
Weitere Tipps zum Schreiben von Romanen finden Sie in der Schreibwerkstatt:
Schreibwerkstatt Roman 1 – Ideen fangen und sammeln
Schreibwerkstatt Roman 2 – Woher die Ideen nehmen?
Schreibwerkstatt Roman 3 – Von der Idee zum Konzept
Schreibwerkstatt Roman 4 – Leben für die Charaktere
Schreibwerkstatt Roman 5 – Charaktere mit allen Sinnen erschaffen
Schreibwerkstatt Roman 6 – Textgerüste
Schreibwerkstatt Roman 7 – Zettelwirtschaft hilft manchmal denken