Die amerikanische Bloggerin Maria Popova sammelt Informationen aller Art und macht sie ihren Lesern zugänglich. Dabei stellt sie zahlreiche Fragen. Unter anderem fragte sie „Was tun Bücher für die menschliche Seele?“.
Die Frage allein ist schon interessant, leben wir doch in einer durchorganisierten Welt, in der alles einem Zweck dienen und unmittelbar nutzbar sein muss, um eine Existenzberechtigung zu erhalten. Kann das Lesen von Büchern unmittelbar nutzen? Die Antworten, die Maria Popova auf der Internetseite von Alain de Botton und seinem Team The School of Life findet, könnte man als mittelbaren Nutzen deuten.
Maria Popova fasst die Nützlichkeit von Büchern und Lesen als Hilfe zum Leben zusammen. Vier Punkte hebt sie hervor:
1. Lesen spart Zeit
Das mag überraschen, sitzen Leser im Allgemeinen versunken in einer Ecke und tun nichts, vergeuden also Zeit. Doch tatsächlich sammeln wir über die Charaktere in den Büchern Erfahrungen und durchleben Emotionen, für die in einem wirklichen Leben keine Zeit wäre. Wie viele Lieben und Verluste geliebter Menschen, wie viel Hass und Unterdrückung, noblen Widerstand und heimtückische Rache können wir als reale Menschen erleben? Die Zahl ist letztendlich recht klein. Literatur erlaubt dagegen ein viel umfassenderes Erleben und spart damit Jahrtausende eigener Erfahrung.
2. Literatur fördert Empathie
Als Leser treten wir in einen engen Austausch mit den Charakteren der Bücher. Oft ist dieser Austausch intensiver und ungestörter als in realen Beziehungen, denn im Lesen erfahren wir die Essenz von Situationen und Gefühlen. Wer die Welt durch die Augen anderer Menschen erlebt, beginnt, die Konsequenzen von Entscheidungen und Handlungen aus einer neuen Perspektive zu sehen. Als Leser erhalten wir so die Möglichkeit, unsere eigenen Wertvorstellungen mit denen im Buch zu vergleichen. Wir lernen über die Charaktere viele unterschiedliche Beziehungen kennen, mit denen wir uns im realen Leben niemals hätten auseinandersetzen müssen.
3. Lesen heilt Einsamkeit
Lesen ist eine einsame Erfahrung, die wir erst im Nachhinein mit anderen teilen können. Manchmal ist Lesen Flucht und zugleich Rettung. Allzu oft fühlen wir uns unverstanden, glauben vielleicht, wir seien auf negative Weise einzigartig und deshalb erfolglos oder einfach nicht liebenswert. Bücher zeigen uns Menschen mit ähnlichen Empfindungen. Lesend erfahren wir, dass unsere Spleens und Ängste nicht so außergewöhnlich sind. Wir finden Befreiung in einem Buch, dass anscheinend unsere Geschichte erzählt und uns zeigt, dass wir nicht allein sind.
4. Literatur bereitet auf Versagen vor
Unsere Kultur preist die, oft vermeintlichen, Sieger. Der Verlierer, die Versagerin, diese Leute ernten höhnisches Mitleid. Deshalb fürchten wir nur wenig so sehr wie das Versagen, das nicht Erreichen des Standards, das anders und deshalb schlecht sein. Vielleicht ist es gar nicht so seltsam, dass in so einer Kultur das Versagen so oft in der Literatur thematisiert wird. In Büchern erleben wir Versagen jedoch auf eine andere, viel differenziertere Weise. Wir lernen den Weg in das Versagen kennen, die Umstände des Scheiterns und auch die Erniedrigung. Und oft genug beweist uns Literatur, dass Scheitern nichts mit Schuld zu tun hat.
Bücher genießen, egal ob als gedrucktes Werk oder als E-Book ein hohes Prestige. Sie sind viel mehr als Notausgänge aus dem Stress unseres Alltags. Bücher sind Fenster in andere Menschen und andere Erfahrungen. Damit helfen sie uns zu leben. Manche sagen, dass ein einziger Leser, dessen Welt durch ein Buch besser geworden ist, der beste Grund ist, warum das Buch erscheinen musste. Darüber sollten wir nachdenken.
Wie hilft Lesen Ihnen? Schreiben Sie in den Kommentaren, wie Lesen sich auf Ihr Wohlbefinden auswirkt.