Ein geschriebener Text erinnert an eine Komposition. Die Länge von Wörtern und Sätzen, die Verwendung deutscher Wörter und Lehnwörter, die Einsprengsel von sogenanntem Denglish, die Platzierung von Adjektiven und Adverbien – all das gibt einem Text eine Melodie. Diese Melodie ist stark geprägt vom Autor, aber das Grundmotiv ist das der jeweiligen Sprache. Diese Erkenntnis spielt eine wichtige Rolle für Autoren. Bei Schreibtipps sollten Autoren immer klären, für welche Sprache sie ursprünglich gedacht waren, denn möglicherweise passen sie nicht oder nur in grundsätzlichen Zügen zur eigenen Sprache. Zum anderen sollten diejenigen von uns, die Sprache unterrichten, darauf achten, dass ein Kurs, der die Grundlagen einer Sprache vermittelt, kein Kurs in schöner Sprache ist. Ein Sprachkurs ist ein Kurs in „lebensnaher“ Sprache.
Ein Zeichen für selbstbewusste Sprachbeherrschung ist die Verwendung von Nebensätzen. Sie verlangen die Fähigkeit, zwei unterschiedliche Satzkonstruktionen miteinander zu verbinden:
Er (Position 1 – Subjekt, Nominativ, Personalpronomen 3. Person Singular, Maskulinum) sagt (konjugiertes Verb in Position 2, 3. Person Singular Präsens Indikativ), dass (Nebensatzkonjunktion) er ( Subjekt, Nominativ, Personalpronomen 3. Person Singular, Maskulinum) einen Hund (Akkusativ, unbestimmter Artikel, Maskulinum, Nomen ohne Endung) hat (konjugiertes Verb in Endposition, 3. Person Singular).
Die wichtigsten Nebensätze sind die mit den Konjunktionen weil, dass, wenn und als. Weil-Sätze geben eine Begründung an, dass-Sätze eine Folge (im weitesten Sinne), wenn-Sätze nennen eine Bedingung oder etwas, das regelmäßig, immer oder oft passiert, als-Sätze markieren Ereignisse, die nur einmal eintreten. Sprechen die Lerner Englisch, was heute oft der Fall ist, muss man sie auf die unterschiedliche Verwendung von when und wenn/als aufmerksam machen. Oft erkennen sie den Unterschied von selbst, müssen aber weiterhin daran erinnert werden.
Sprache des Alltags, die ich in der Einleitung als „lebensnahe“ Sprache bezeichnet habe, benötigt Nebensätze. Sie helfen, Begründungen, Folgen, Bedingungen und das Eintreten von Ereignissen mit allgemeinen Aussagen zu verbinden. Der Wert von Nebensätzen wird ersichtlich, wenn es Lernern gelingt, sie im freien Gespräch korrekt anzuwenden und ihre Aussagen so kürzer und effektiver werden. Diesen Wert sollten Autoren wiederentdecken, ehe sie auf die Nachteile der Nebensätze für die durchkomponierte Sprache blicken. Nebensatzübungen, besonders die, in denen eine Satzart immer wieder wiederholt wird, zeigen uns zwei Dinge: Einmal macht eingeschränkte Anzahl an Nebensatzkonjunktionen die Sätze langweilig. Zum anderen sind Konstruktionen mit Haupt- und Nebensatz komplex. Je mehr der Hauptsatz mit einem oder mehreren Nebensätzen verschachtelt ist, desto schwieriger ist es nachzuvollziehen, worum es in dem Satzgefüge eigentlich geht. Nicht ohne Grund sind Sätze in der gesprochenen Sprache deutlich weniger verschachtelt als geschriebene Sätze.
Wenn wir in Sprachkursen Lerner anhalten, Nebensätze zu verwenden, sollten wir die Verständlichkeit im Blick behalten. Prüfer wollen die Nebensätze ebenso nachvollziehen können, wie die Verkäuferin beim Bäcker – oder der Leser unserer Texte. Die korrekte Anwendung der Nebensatzkonjunktion und des Satzbaus stehen an erster Stelle. Wenn wir unsere geschriebenen Texte überarbeiten, sollten wir Nebensätze immer kritisch untersuchen. Nicht immer sind sie notwendig und oft lassen sie sich durch andere Konstruktionen ersetzen. Das Ziel ist eine abgerundete sprachliche Komposition.