Autoren haben eine schwierige Aufgabe: Wir wollen dem Leser die Welt unseres Protagonisten nahe bringen und haben dazu nur Wörter zur Verfügung. Im Kopf des Lesers sollen diese Wörter Bilder und Filme der Welt und der Erlebnisse des Protagonisten entstehen. Erlebnisse haben mit Leben zu tun. Wie erschaffen wir eine lebendige Welt aus Wörtern?
Gehen wir zu einem anderen Medium: Wie erreichen es Filme, dass ihre Handlungen für den Zuschauer lebendig werden? Filme haben mehr Möglichkeiten, den Leser anzusprechen. Es gibt Geräusche, Stimmen und nicht zuletzt Musik, es gibt Bilder und Farben. All dies nehmen die Zuschauer über ihre Sinne wahr. So ist es für sie leichter, die Emotionen zu empfinden, die der Regisseur auslösen wollte. (Was natürlich in einigen Fällen auch nicht funktioniert.)
Wir Autoren arbeiten nur mit Wörtern, wollen damit aber auch die Emotionen des Lesers ansprechen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Aufgabe mit Worten anzugehen. Zwei Wortarten bieten sich dafür an: Adjektive und Verben. Adjektive beschreiben Eigenschaften und Zustände, Verben beschreiben Aktionen. Wir müssen sorgfältig abwägen, welche Wortart zu welchen Szenen, oder zu welchen Erlebnissen des Protagonisten passen und geeignet sind, im Kopf des Lesers Bilder entstehen zu lassen.
Bei der Wahl der Wortart, Adjektiv oder Verb, ist es leider nicht immer hilfreich, nur auf die Funktion der Wortart zu sehen. Wir müssen auch überlegen, was wir beim Leser auslösen wollen. Steht unser Protagonist inmitten einer Landschaft und lässt die Ruhe dieser Landschaft auf sich übergehen, sind eventuell Adjektive geeignet, die Landschaft zu beschreiben. Was sie im Protagonisten auslösen, lässt sich jedoch besser mit Verben ausdrücken. Erlebt unser Protagonist die Landschaft voller Aktivität von Tieren, Pflanzen, Wind und Regen, geht vielleicht sogar die Energie seiner Umgebung auf in über, brauchen wir fast ausschließlich Verben, um all die Abläufe zu beschreiben.
Es hilft uns also wenig, wenn wir uns sklavisch an die Vorschrift halten, Adjektive zu meiden. Es ist unsere Verantwortung zu entscheiden, wann Adjektive notwendig sind, um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Dabei müssen wir überlegen, welche Sinne dem Protagonisten in einer konkreten Situation helfen, seine Umgebung zu erfassen.
Sehen
Ist es das Sehen, müssen wir fragen, ob der Protagonist passiv erlebt oder aktiv um sich schaut. Adjektive passen zu Passivität. Allerdings drohen sie auch, den Leser zu lähmen. Deshalb sollten wir einige Adjektive auswählen und versuchen, auch die Passivität, Langsamkeit oder Ruhe des Protagonisten mit entsprechenden Verben zu beschreiben.
Verben, die verschiedene Formen des Sehens beschreiben, können sich gegenseitig aufheben. Beobachten und ansehen stehen im Konflikt zu entdecken und ausmachen. Als Autoren müssen wir uns in die Handlung einfühlen, um abschätzen zu können, welche Verben die Wahrnehmung des Protagonisten ausdrücken.
Hören
Hören ist eine Aktivität und lässt sich mit Verben beschreiben. Adjektive beschreiben, was der Protagonist hört. Wir müssen zwischen der Aktivität und der Eigenschaft des Geräuschs unterscheiden und die Wortart entsprechend wählen. Auch hier gilt, dass wir den Leser nicht mit einer Masse schöner Worte überschütten dürfen.
Fühlen
Beim Fühlen ist die Trennung zwischen der Aktivität des Protagonisten und der Eigenschaft des wahrgenommenen Objekts schwierig. Die meisten Verben beschreiben die Bewegungen oder die Reaktion auf die Wahrnehmung.
Schmecken und Sehen
Schmecken beschreiben nur wenige Verben. Adjektive geben die Varianten des Geschmacks wieder. Hier drängen sich Adverbien auf, die den Adjektiven oft zum Verwechseln ähnlich sehen. Wie beim Kochen sollten wir die Zutaten sorgfältig auswählen, damit der Leser eine klare Wahrnehmung des Geschmacks erhält.
Auch Riechen ist ein schwieriger Bereich, zumal er nicht immer klar vom Schmecken abzugrenzen ist. Auch hier scheinen sich Adjektive anzubieten. Gerade deshalb sollten wir einen zweiten Blick auf die Verben werfen und prüfen, ob sie nicht doch geeigneter sind.