Wer schreibt, lebt seine Texte. Das Geschriebene ist Teil des Lebens, beinahe Teil des Körpers. Deshalb schmerzt Kritik, und deshalb kann Kritik am Geschriebenen eine Wunde zufügen, die nie abheilt. Statt Eiter sickern Selbstzweifel aus der Wunde. Die Worte, in die die Kritik gefasst war, klingen immer wieder in den Ohren und verstärken den Zweifel. Kreativität mit so einer Wunde ist nicht einfach schmerzhaft, oft erscheint sie unmöglich. Können wir jemals wieder schreiben? Können wir den Selbstzweifel besiegen? Kann Erfolg mit unseren Büchern die Wunde schließen?
Was zeichnet verwundete Kreativität aus?
Eine Wunde am Körper heilt normalerweise. Ärzte können sie reinigen und Nähen, es gibt Verbände und Salben. Eines Tages verschwindet die Entzündung, der Schmerz lässt nach. Es bleibt eine Narbe, doch das Leben geht weiter.
Verwundete Kreativität kann kein Arzt behandeln. Viele Ärzte würden sie nicht einmal als Verletzung anerkennen. Dabei ist Kritik, harsch formuliert, höhnisch und bitter wie ein rostiger Nagel, der nicht aus dem Fuß gezogen wird. Selbstzweifel breiten sich in der Seele aus, lähmen jeden Versuch zu schreiben. Amputationen sind unmöglich, Vergessen ebenso.
Jede neue Idee wird durch den Filter des Zweifels gesehen. Durch diesen Filter betrachtet lohnt es sich nicht, die Idee umzusetzen. Andere haben schon viel besser darüber geschrieben. Andere werden in Zukunft besser darüber schreiben. Außerdem ist die Idee wertlos.
Unter diesem Druck des Zweifels wird Schreiben unmöglich.
Was heilt verwundete Kreativität?
Und doch ist Schreiben die einzige Möglichkeit, den Schmerz zu lindern.
Wenn unsere Kinder Fahrrad fahren lernen, fordern wir sie auf, wieder auf das Rad zu steigen, wenn sie gefallen sind. Das könnte bedeuten, dass wir die Wunde in unserer Kreativität ignorieren sollten. Einfach weitermachen, als wäre nicht geschehen? Doch es ist etwas geschehen. Das können wir nicht ignorieren. Uns bleibt nur zu versuchen, zurückzukehren zu der Lust am Fabulieren, mit der wir angefangen haben. Wir können versuchen, die Wunde umzuwidmen. Sie als Lehre zu sehen. Ihr etwas entgegenzustellen. Dazu müssen wir wieder schreiben und weiter schreiben.
Die Erinnerung an die verwundete Kreativität wird uns nie verlassen. Aber wir können den Schmerz in Energie umleiten. Zahlreiche Künstler haben das getan. Warum sollten wir das nicht schaffen?