Schreib, was du kennst ist ein alter und gar nicht so dummer Rat an Autor*innen. Doch was genau bedeutet das für mein Schreiben? Darf ich nur schreiben, was ich selbst erlebt habe? Sind alle anderen Themen damit für mich ausgeschlossen? Was bedeutet das für mein Leben? Das sind viele Fragen, die sich an diesen Rat anschließen. Deshalb möchte ich heute einmal schreiben, wie ich Schreib, was du kennst verstehe.
Schreib, was du kennst – In die eigenen Erfahrungen abtauchen
Schreib, was du kennst ist vor allem eine Aufforderung, eigene Erfahrungen zu analysieren und für das eigene Schreiben zugänglich zu machen. Der Satz beruht auf der Annahme, dass Autor*innen, die eine bestimmte Situation selbst durchlebt und durchlitten haben, genau wissen, wie sich die Charaktere in dieser Situation fühlen. Daher können sie einen intensive und den Leser*innen nahegehenden Text schreiben.
Das ist sicherlich richtig, muss aber eingeschränkt werden. Autor*innen, die noch nicht mit der beschriebenen Situation abgeschlossen haben, produzieren vielleicht einen intensiven Text, geben aber zu viel von sich selbst preis und treten eventuell auch den Leser*innen zu nahe. In solchen Fällen ist es notwendig, den Text sehr diszipliniert zu überarbeiten, damit er nicht durch Selbstzerfleischung oder Aggression über sein Ziel hinausschießt.
Schreib, was du kennst darf weder als Therapie-Ersatz missbraucht werden, noch sollten Autor*innen sich veranlasst fühlen, sich auf riskante Situationen einzulassen, nur um zu erfahren, wie es ist, wenn man in so einer Situation gefangen ist.
Ebenso wenig bedeutet Schreib, was du kennst eine Einschränkung auf tatsächlich erlebte Situationen.
Schreib, was du kennst – Das Ausloten des Unbekannten
Ich verstehe den Rat Schreib, was du kennst als Aufforderung, auf der Basis der eigenen Erfahrung neue Situationen zu erforschen. Autor*innen sollten sich immer fragen, was sie in einer neuen Situation tun würden, was sie nicht tun würden und wo zwischen diesen Möglichkeiten die Charaktere ihres Texts handeln können.
Damit Autor*innen die Verhaltensweisen und Entscheidungen ihrer Charaktere glaubwürdig darstellen können, müssen sie recherchieren. Das Feld der Recherche ist weit. Neben Psychologie und damit verwandten Themen wie Körperhaltung und Mimik, sind Fragen aus den Bereichen Physik, Politik, Geschichte, Technik, Gesetze u.s.w. zu beantworten.
Durch dieses Erforschen von Situationen am sicheren Schreibtisch gewinnen Autor*innen Erfahrungen, die ihnen auch im richtigen Leben helfen können. Das ist einer der Vorteile des Schreibens 🙂