„Mein Leben könnte ein Buch füllen.“ Das sagen viele Leute. Die wenigsten schreiben ein Buch über ihr Leben. Nicht genug Zeit. So viele andere Sachen sind wichtiger. Und wer will so etwas lesen? Das als so etwas abgetane Leben könnte interessant sein, vielleicht im Ganzen betrachtet, vielleicht einige Jahre, Monate oder auch nur Tage daraus. Nicht alle Menschen interessieren sich für ein Memoir einer Person, die nicht berühmt ist. Aber einige Menschen interessieren sich dafür, was andere erreicht, überstanden oder überlebt haben.
Mein Leben oder die Geschichte meines Werdens
Michelle Obamas Biografie heißt Becoming, was auf Deutsch werden bedeutet. Darin beschreibt sie, wie sie von einem kleinen schwarzen Mädchen aus kleinbürgerlichem Umfeld zu einer gut ausgebildeten, beruflich erfolgreichen Frau und nebenbei Ehefrau des amerikanischen Präsidenten wurde. Solche Wege interessieren Menschen. Sie möchten die Höhen und Tiefen miterleben oder wenigstens nacherleben.
Um diesen Wunsch anzusprechen, benötigt ein Memoir eine Handlung. Es genügt nicht, Fakten nacheinander aufzulisten. Menschen lesen eben nicht gerne Tabellen, sie möchten Geschichten. Deshalb ist es nötig, das eigene Leben oder den beschriebenen Lebensabschnitt aus der Distanz zu betrachten und die Ereignisse wie in einem Roman darzustellen. Im Roman gibt es eine Entwicklung mit Wendepunkten von guten zu schlechten Zeiten und umgekehrt. Wichtige Ereignisse werden zu Szenen. All dies benötigt auch ein Memoir.
Meine Erfahrung ist wie deine Erfahrung
Die guten und schlechten Zeiten erinnern Leser*innen daran, dass auch ihr Leben von Höhen und Tiefen begleitet ist. Sie möchten sehen, dass auch andere Menschen schwierige Zeiten durchleben mussten, denn schwierige Zeiten gehören auch zu ihrer Realität. Für die Leser*innen ist es wichtig zu erfahren, wie ein anderer Mensch die schwierigen Zeiten überstanden hat, welche eigenen Strategien hilfreich waren und wer Hilfe angeboten hat. Daraus lesen sie die Botschaft, dass auch ihre Schwierigkeiten ein Ende haben werden, aber auch dass Schwierigkeiten nichts Ungewöhnliches sind. Meine Erfahrung lesen sie als unsere Erfahrung. Dieses Gemeinsame lässt die Leser*innen Mut schöpfen.