Schreiben kann einsam sein, selbst in einem vollen Café. Doch manchmal vergrößert die Reaktion (oder deren Ausbleiben) der Mitmenschen diese Einsamkeit. Dann keimt schon einmal der Gedanke auf, es mit dem Schreiben ganz zu lassen. Aber Aufhören ist keine Option!
Kritik, Abwertung, Missverständnisse
Es gibt sie, die Mitmenschen, die sich freuen, eine Autorin oder einen Autor kennenzulernen. Die es interessiert, was so ein seltsamer Mensch schreibt, die sich staunend anhören, wie aus Ideen ein Text wird, die aufmerksam mitverfolgen, wie aus einem ersten Entwurf langsam ein Buch entsteht. Zugegeben, sie sind selten. Viel zu selten.
Die meisten Schreibenden hören schon früh die Frage, ob es sich überhaupt lohnt zu schreiben. Bringt das Schreiben Geld? Nun, es kann Geld bringen, wenn auch nicht so viel wie die Zahnmedizin. Bringt Schreiben Ruhm? Vielleicht, aber durch eine Reality-Show kommt der Ruhm schneller. (Dieser Ruhm vergeht auch schneller, aber vergangener Ruhm ist eh uninteressant.) Solche Fragen hinterlassen eine nagende Unsicherheit, die nur zu bereitwillig auf andere Störfaktoren reagiert.
Etwa auf Kritik. Leider glauben viele Mitmenschen, Kritik sei zwangsläufig negativ. Entsprechend formulieren sie ihre Bemerkung zu Texten. Ihnen gefällt der Inhalt nicht, der Stil nicht, die Sprache nicht, und die Charaktere gefallen erst recht nicht. Sollte ihnen doch etwas gefallen, erwähnen sie es in ungnädigem Ton. (Ich hatte vor langer Zeit eine Deutschlehrerin, die diese Technik sehr gut beherrschte.)
Nur wenig besser ist das Ignoriertwerden. Da wird nicht mit Säure gespritzt, da wird nicht hinterfragt, da wird nicht einmal hingesehen. Geschweige denn, gelesen. Jede Veröffentlichung scheint in einer dunklen Höhle zu verhallen. Manchmal fällt ein Tropfen von der Decke, das ist das einzige Resultat.
Zwischen Abwertung, Kritik und nicht Wahrnehmung wirkt Schreiben wahrlich wie vergebene Liebesmüh. Der Gedanke an das Aufhören schleicht sich ein und bohrt sich immer tiefer. Aber diesem Gedanken sollte niemand nachgeben.
Warum ist Aufhören keine Option?
Schreiben ist anders als Zahnmedizin oder die Teilnahme an Reality-Shows eine kreative Tätigkeit. Wer schreibt, tut das auch für sich und die eigene Erkenntnis. Schreibend entwickelt sich Verständnis für die Welt und die Menschen. Dieses Verständnis muss man nicht einmal mit anderen teilen. Es genügt das Niederschreiben, das Fassen in Worte. Daher ist Schreiben ein Selbstausdruck, auf den niemand verzichten kann.
Wer schreibt, erschafft außerdem Bedeutung — wahrscheinlich weniger für kreischende Massen, aber mit Sicherheit für einzelne Leserinnen und Leser. Diesen ach so fernen und leider stummen Menschen gelten die Zeilen, die unter Tränen und Schweiß in einem schlecht beleuchteten Zimmer geschrieben wurden. Was für eine Verantwortung gegenüber den unbekannten Leser*innen da draußen. Für sie zu schreiben, ist eine Ehre. Also gilt es weiterzuschreiben.