Der Rat, täglich zu schreiben, ist nicht neu. Spätestens 1934, als Dorothea Brande ihr Buch Becoming a Writer (Schriftsteller werden) veröffentlichte, wurde empfohlen, jeden Tag zu schreiben. Dieser über die Jahre oft wiederholte Rat weckt das Bild eines Schreibmuskels, der trainiert werden muss, damit das Schreiben leicht fällt. Aber ist das so?
Der Schreibmuskel und das regelmäßige Training
Die Vorstellung ist schön bildlich und der Vergleich nachvollziehbar. Trainieren wir einen Muskel, wird er stärker und leistungsfähiger. Auch Autor*innen träumen davon, viel und ausdauernd wunderbare und spannende Texte schreiben zu können. Also müssen sie mit der gleichen Hartnäckigkeit wie Sportler trainieren und täglich eine bestimmte Menge Text schreiben. Übung macht den oder die Meister*in, das sollte auch für das Schreiben gelten.
Tatsächlich gilt auch für das Schreiben, dass wir nur durch das Schreiben lernen, besser zu schreiben. Wir können tausend Ratgeber lesen, aber nur in der praktischen Umsetzung — dem Kritzeln auf Papier oder dem Tippen auf die Tastatur — lernen wir, wie wir die Ratschläge in unserer Sprache in und unserem Stil umsetzen können. Oder dass diese Ratschläge für uns nicht passen.
So wie jeder Körper mit seinen Muskeln anders ist und das Training individuell andere Anreize setzen muss, so funktioniert auch jedes Gehirn anders und individuell andere Methoden helfen, die Qualität des Schreibens zu verbessern.
Der individuelle Ansatz
Für einige Autor*innen ist hilfreich, sich eine Mindestmenge an Wörtern zu setzen. Sie erlauben sich erst aufzuhören, wenn sie diese Anzahl Wörter geschrieben haben. Andere zählen lieber die geschriebenen Seiten oder Kapitel. Wenn die durchschnittliche Länge der Kapitel über ein Buch gleich ist, hat diese Methode den Vorteil, dass in einer Schreibsitzung eine abgeschlossen Einheit Text entsteht.
Manchmal verlangen die äußeren Umstände eine Begrenzung der Zeit. Eine halbe Stunde vor der Fahrt zur Arbeit ist in einigen Fällen die gesamte Schreibzeit des Tages, in anderen die Zeit zwischen dem Zubettbringen der Kinder und dem eigenen Schlafengehen.
Oft gibt auch das Projekt den Schreibrhythmus vor. Das kann bedeuten, dass über eine lange Zeit nur wenig geschrieben wird, kaum mehr als Notizen. Dann kommt der Zeitpunkt, an dem sich von selbst lange Schreibphasen ergeben.
In all diesen Fällen und in allen anderen wird das Schreiben trainiert, es wird ausgeübt, und verbessert sich durch das Zulassen einer eigenen Herangehensweise.