Satzbau: Strom oder Wildbach?

Satzbau

Wir empfinden einen Text als starken Strom: an der Oberfläche ruhig, aber mit starkem Sog. Oder wir meinen, mit einem Wildbach von Stein zu Stein gerissen zu werden. Es sind die Sätze, die uns durch den Text tragen oder treiben. Im Satzbau steckt eine große Macht, die wir für unsere Zwecke nutzen sollten.

Satzbau und das Empfinden der Leser*innen

In den sozialen Medien kursieren Schreibtipps, die oft stark verkürzt sind und sich an der englischen Sprache orientieren. Einfache Hauptsätze, so ist zu lesen, sind für Leser*innen am leichtesten zu erfassen. Nebensätze erschweren grundsätzlich das Textverständnis. Könnte man meinen.

Nebensätze haben ihren Nutzen. Sie enthalten Informationen, die oft gar nicht in einen Hauptsatz passen und die dennoch für die Leser*innen wichtig sind. Packen wir alle Informationen in aufeinanderfolgende Hauptsätze, können wir zwar vermitteln, was wir sagen wollen, aber ein Lesegenuss stellt sich nicht ein. Umgekehrt lassen sich ganze Seiten mit einem einzigen verschachteltem Satz füllen. Diese Möglichkeit ist eine Spezialität der deutschen Sprache, die ebenfalls nicht zum Lesegenuss beiträgt. Erreicht man das Ende des Satzes, hat man Anfang und Mitte längst vergessen.

Wenn wir schreiben, sollten wir unsere Sprache und mit ihr die Satzlänge auf die Leser*innen und die Handlung auszurichten. Jüngere Kinder und Menschen, die noch nicht sicher lesen können, brauchen kürzere Sätze. In wenigen Worten erhalten sie wichtige Informationen, das Gedächtnis wird nicht überfordert. Kompetente Leser*innen erfassen auch den Inhalt komplexerer Satzgefüge.

Tempo und Satzlänge

Der Satzbau beeinflusst auch unsere Wahrnehmung des Tempos. Kurze Sätze, die wir schnell hintereinander lesen, wecken auch den Eindruck von schnell aufeinanderfolgenden Ereignissen, etwa einer Verfolgungsjagd. Längere Sätze, die auch mehr Zeit für das Lesen verlangen, nehmen das Tempo aus der Handlung. Auch die Länge der Wörter innerhalb der Sätze haben Einfluss auf die Dauer des Lesens und auf das Empfinden der Zeit.

Satzlänge und Wortlänge sind also Instrumente, mit denen die Handlung und die Wahrnehmung der Leser*innen manipuliert werden können. So lässt sich auch der Informationsfluss steuern. Selbstverständlich ist es notwendig, die Nebensätze auf ihren Nutzen hin zu untersuchen. Nicht alle Nebensatzarten sind für jeden Text und jede Zielgruppe geeignet. Doch diese Untersuchung und die Kontrolle der Satzlänge geschieht nicht bei der ersten Version des Manuskripts, sondern in einer späteren Überarbeitung.

2 thoughts on “Satzbau: Strom oder Wildbach?”

  1. Leider musste ich jeden Satz mit * dreimal lesen, ehe er im Kopf angekommen ist. Nichts gegen Gendern, aber das *Innen stört eben gewaltig den Lesefluss. Das generische Maskulin ist hier einfach lesefreundlicher – oder wenn es feministisch sein soll, dann eben gleich die weibliche Form nehmen, auch das liest sich besser.
    Ansonsten guter Inhalt.

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