Wieken-Verlag Autorenservice Schreiben,Schreibwerkstatt Perspektive und persönliche Vorlieben

Perspektive und persönliche Vorlieben

Perspektive und persönliche Vorlieben

Wenn wir beim Schreiben in die Köpfe der Charaktere kriechen, geht es um Perspektive und persönliche Vorlieben. Es geht darum, was wir den Leser*innen zeigen wollen und wie wir es ihnen zeigen wollen. Oder was wir nur andeuten wollen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Wichtig ist, sich vor dem Schreiben zu überlegen, aus welcher Sichtweise wir die Geschichte erzählen wollen und können.

Perspektive und Probleme

Perspektive hat mit dem Blick auf die Handlung und die Charaktere zu tun, mit Nähe und Distanz, mit Wissen und nicht wissen können. Vor allem die Frage, was ein Charakter wissen kann, spielt hier eine Rolle.

• Der allwissende oder auktoriale Erzähler berichtet aus großer Distanz über die Charaktere und die Ereignisse. Diese Distanz ermöglicht einen Blick in die Köpfe aller Charaktere. Vorteile dieser Perspektive sind die Möglichkeiten, Zusammenhänge aufzuzeigen und sogar auf zukünftige Ereignisse hinzuweisen. Die Nachteile bestehen in der Gefahr, den Leser*innen zu viele Informationen zu geben, und in der Schwierigkeit, den richtigen Ton für emotionale Szenen, die Nähe erfordern, zu finden.

• Die personale Erzählerin berichtet aus der Perspektive eines Charakters (3. Person Singular, er oder sie) und verfügt auch nur über das Wissen dieses Charakters. Ein wichtiger Vorteil ist, dass Leser*innen eine Beziehung zu diesem Charakter aufbauen und „mitfiebern“ können. Weil der Charakter nicht über alle Informationen verfügt, kann Spannung in seiner Interaktion mit anderen Charakteren aufgebaut werden. Ein Nachteil ist, dass durch die Beschränkung des Wissens, den Leser*innen Informationen fehlen. Bei einem Wechsel zwischen den Perspektiven verschiedener Charaktere (immer nur ein Charakter pro Kapitel) können die Leser*innen mehr Informationen erhalten.

• Der neutrale Erzähler berichtet nur, was äußerlich wahrnehmbar ist. Was die Charaktere fühlen, worüber sie nachdenken, erfahren die Leser*innen nicht. Es gibt keine Wertung, weder in der Wortwahl noch im Ton. Darin liegen Vor- und Nachteile. Der neutrale Erzähler erscheint distanziert, was in emotionalen Szenen kalt wirken mag, bei sich überstürzenden Ereignissen jedoch auch beruhigen kann.

• Die Ich-Erzählerin berichtet aus ihrer Perspektive und teilt den Leser*innen mit, was sie weiß, erlebt und fühlt. Das schafft Nähe zu diesem einen Charakter und mindert die Gefahr, unbeabsichtigt in andere Perspektiven abzuwandern. Das sind zwei starke Vorteile. Ein Nachteil ist, dass die Leser*innen der Einschätzung dieses Charakters ausgeliefert sind. Ist der Charakter unzuverlässig, erhalten die Leser*innen ein verzerrtes Bild der Situation und müssen ertragen, dass sie zu falschen Schlussfolgerungen kommen.

Perspektive und persönliche Vorlieben beim Schreiben

Beim Schreiben geht es auch um persönliche Vorlieben, denn nicht alle möchten die Distanz einer allwissenden Erzählerin oder die Intimität eines Ich-Erzählers über die Länge eines Buchs aushalten. Auch Leser*innen haben Haltungen zu den verschiedenen Erzählperspektiven, die oft auf Gewohnheiten beruhen. Ein Wechsel der Perspektive innerhalb eines Buchs ist möglich. So kann der allwissende Erzähler in einzelnen Kapiteln durch die Sicht einer personalen Erzählerin ergänzt werden. Auch die Ich-Perspektive kann durch Kapitel mit einer personalen Erzählerin ergänzt werden. Wichtig ist, dass es nicht zu Überschneidungen kommt. Ein Charakter könnte beispielsweise aus der Ich-Perspektive berichten, alle anderen Charaktere berichten konsequent aus der personalen Perspektive.

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