Wieken-Verlag Autorenservice Autoren,Manuskript,Schreiben Die Parallele zwischen Schreiben und Laufen

Die Parallele zwischen Schreiben und Laufen

Es klingt so abgedroschen. Hör nicht auf, bleib nicht stehen, mach weiter, bis die Zeit um ist. Und komm morgen wieder, um wieder die gleichen Übungen zu machen. Das gilt für Laufen, Schwimmen, Turnen, eine Sprache lernen, schreiben. Was hat Schreiben damit zu tun?

Bei einem körperlichen Training gibt es immer wieder Situationen, in denen wir glauben, wir können nicht weiter machen. Seitenstechen, Blasen an den Füßen, Ziehen in der Wade. Bleiben wir stehen, ist es so schwer weiterzulaufen. Machen wir weiter, durch Tränen und Übelkeit, geht der Schmerz meistens irgendwann von alleine weg. Auch am Schreibtisch machen wir diese Erfahrung, etwa beim Lernen einer neuen Sprache. Jeden Tag kommen viele neue Wörter dazu, außerdem ein paar neue Strukturen, und Hausaufgaben, die wir irgendwie in unseren Alltag einpassen müssen. Irgendwann sprechen wir frei, wenn auch stotternd, und werden von einem Muttersprachler verstanden. Wenn wir kreativ sein wollen …

Schreiben ist eine Gewohnheit. Wir müssen jeden Tag schreiben, bzw. etwas machen, das mit unserem Schreiben zu tun hat. Ob wir am Laptop sitzen und Wörter tippen, ob wir beim Staubsaugen den Aktivitäten unserer Protagonisten folgen oder mit Shampoo in den Haaren plötzlich verstehen, warum unsere Heldin eine bestimmte Dummheit tun will und wir sie nicht davon abbringen können (die übrigen Charaktere sowieso nicht). Schreiben ist mehr als der Akt des Schreibens. Schreiben ist eine Auseinandersetzung mit den Charakteren, mit der Sprache, mit den Szenen. Schreiben verlangt Präsenz. Wir können uns nicht in den Urlaub verabschieden, uns auf einen verstauchten Zeigefinger berufen oder mit Migräne herausreden. Auch wenn wir die Geschichte satt haben, es nicht länger ertragen können, was die Charaktere sich erlauben und wie sich die Sätze beim lauten Vorlesen um die Zunge krümmen.

Irgendwann finden wir den richtigen Weg mit der Geschichte. Irgendwann verstehen wir, warum die Charaktere tun, was sie tun, und wir geben ihnen genau den Freiraum, den sie und wir brauchen, um die Geschichte in die richtige Richtung zu leiten. Leider ist das Irgendwann nicht planbar. Es kommt, wenn die Zeit reif ist. Bis dahin müssen wir, an der Geschichte schreiben, und den Durchbruch auf dem Papier und in unserem Kopf vorbereiten. Ohne diese Vorbereitung wird der Durchbruch nie kommen.

Also müssen wir weiter diesem abgedroschenen Rat folgen und weitermachen: schreiben, schreiben, schreiben … und nicht aufstehen.

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