Autoren hören immer wieder, dass sie ihre Bücher schnell schreiben und veröffentlichen sollten. Ihre Leser hätten eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, hören sie, weshalb rasch aufeinander folgende Bücher notwendig seien, um sich in der Erinnerung der Leser zu halten. Viele Autoren können diese Logik zwar nachvollziehen, empfinden die Umsetzung jedoch als Stress. Hinzu kommt ein nagender Zweifel, ob nicht die Qualität ihrer Bücher leiden könnte.
Buch-Ideen und die Qualität des Augenblicks
Ideen haben Ähnlichkeit mit Samen. In ihnen ruht die Möglichkeit des Neuen. Samen lassen sich Zeit. Sie können unter widrigen Bedingungen Monate, Jahre, sogar Jahrzehnte warten, um zum richtigen Zeitpunkt eine neue Pflanze wachsen zu lassen. Zum richtigen Zeitpunkt für dieses eine Samenkorn.
Schon bei den Bedingungen spielt Qualität eine Rolle.
Der richtige Zeitpunkt ist der, wenn viele Faktoren zusammen eine Umgebung geschaffen haben, in der sich der Same zur Pflanze entwickeln kann. Wenn der Spross die Samenkapsel durchbricht, ist dies noch lange keine erwachsene Pflanze. Vieles kann geschehen, was das Wachstum verlangsamt oder beendet. Doch der Spross aus dem Samen ist der Beginn.
Auch Buch-Ideen tragen ein Buch in sich, doch es bedarf der richtigen Bedingungen, damit sie sich entwickeln können. Für jeden Autor sind diese Bedingungen anders. Es gibt Menschen, die unter Stress die besten Arbeitsergebnisse erreichen. Doch niemand kann kontinuierlich ein hohes Niveau halten, wenn die Buch-Ideen nicht ausreifen dürfen.
Vom Samen lernen
Autoren können sich selbst beobachten und so die besten Bedingungen für ihre Buch-Ideen herausfinden. Dies ist keine schwierige Aufgabe. Dagegen ist es schwierig, diese besten Bedingungen im Alltag und in der Entwicklung und Produktion eines Buchs zu gewährleisten. Zeit, das kostbare Gut, braucht jedes Buch, und Autoren sind dafür verantwortlich, ihrem Buch die notwendige Zeit zu geben. Das kann das Eingeständnis bedeuten, dass die Veröffentlichung mehrerer Bücher im Jahr nicht möglich ist. Vielleicht wäre sie umsetzbar, doch die Qualität der Bücher würde leiden. Und Leser, auch die mit der kurzen Aufmerksamkeitsspanne, merken irgendwann, dass sie nicht das Buch vorgelegt bekommen, das sie erwarten durften.
Wenn der zufriedene Leser wirklich das höchste Ziel eines Autors ist, sollte er dem Leser ein gutes Buch vorlegen. Falls dieses Buch drei Jahre Entwicklung braucht, sollte er ihm diese drei Jahre gönnen.